Delphine auf Stippvisite

Am Montag, den 24. Juli, brechen wir nachmittags von Milford Haven auf. Wir wollen in die Bretagne, genauer gesagt nach Brest. Von dort geht es in eineinhalb Wochen zurück nach Deutschland, der Zug ist schon gebucht. Ob wir die über 200 Seemeilen nach Brest am Stück segeln werden, wissen wir noch nicht. Wir gehen davon aus, dass auch noch Zeit für einen Zwischenstopp in Penzance in Cornwall ist, wenn das günstige Wetterfenster nicht bis Brest anhält. Die Wettervorhersage wollen wir an der Südwestspitze von Cornwall nochmal aktualisieren. Es liegen also eine Fahrt über Nacht, vielleicht auch über zwei Nächte vor uns. Wales verabschiedet sich landesuntypisch mit klarem, sonnigen Wetter.

Da der Wind mit bis zu fünf Beaufort aus Norden und damit ziemlich genau von hinten kommt, sind wir erst nur mit dem Vorsegel unterwegs. Bei der Überquerung des Bristol Channel ist es durch die Wellen ziemlich unruhig, doch im Laufe des Abends flaut der Wind ab und dreht auf Nordwest, so dass wir vor der Dunkelheit auch das Großsegel setzen. Die Nacht ist ruhig, und bei Sonnenaufgang besucht uns ein Delphin am Boot. Was für ein schöner Tagesauftakt! Kurz vor Mittag haben wir bei leichtem Wind und ruhiger See Land’s End querab, die Westspitze von Cornwall. 

Die aktuelle Wettervorhersage, die Marc hier herunterladen kann, stellt uns allerdings vor ein Dilemma: Wenn wir weitersegeln nach Brest, kommen wir in ein ausgedehntes Flautenfeld und müssen ein erhebliches Stück der Strecke unter Motor zurücklegen, denn nach der Flaute kommt dann direkt Starkwind, den wir lieber nicht auf See erleben möchten. Wenn wir nach Penzance fahren, bleiben wir dort voraussichtlich für mindestens eine Woche wegen starkem oder unpassenden Wind stecken – und dann wird es knapp für die Reise zurück nach Deutschland. Wir entscheiden uns, weiter zu fahren.

Wie vorhergesagt wird der Wind abends so schwach, dass wir kaum noch vorankommen und den Motor anmachen. Und der Tag verabschiedet sich, wie er angefangen hat: Mit Delphinbesuch. Erst ist es sternenklar und die Milchstrasse ist am Nachthimmel zu sehen, doch dann zieht es zu und die Nacht ist schwarz.

Im Westen der Bretagne liegt ein Verkehrstrennungsgebiet, das zwar nicht direkt auf unserer Route liegt, aber dessen nordöstliche Ein- bzw. Ausfahrt wir queren wollen. Und das ist unerwartet schwierig. Nach den Erfahrungen mit den weniger dicht befahrenen Verkehrstrennungsgebieten auf unserem Weg von Schottland hierher unterschätzen wir, dass hier der Schiffsverkehr auf der Strecke entlang des europäischen Festlands in den bzw. aus dem English Channel entlangkommt. Es zieht also ein dicker Pott nach dem nächsten vorbei. Bei der Querung der ersten Hälfte haben wir noch Glück, denn es kommt eine passende Lücke zwischen zwei Frachtern. Aber dann wird es schwierig, und Marc muss eine Weile parallel zum Schiffsverkehr fahren und dann zur passenden Zeit richtig Gas geben, damit auch die zweite Hälfte sicher passiert werden kann. Und während der intensiven Beobachtung des Schiffsverkehrs um ihn herum fällt Marc auf, dass unsere Positionslampe am Bug falsch herum montiert ist. Auch das noch! In der Dunkelheit muss an der Backbordseite, also der linken Bootsseite, ein rotes Licht sein und auf der Steuerbordseite, also der rechten, ein grünes. Bei uns ist es umgekehrt. Für die anderen Schiffe sehen unsere Lichter also so aus, als würden wir in die entgegengesetzte Richtung fahren. Kein Wunder, dass wir bei dieser Lichterführung und den Richtungs- und Geschwindigkeitsänderungen auf der Suche nach der Lücke von einem großen Frachter angefunkt und gefragt werden, was wir denn vor haben. Wir sind heilfroh, als wir den Trubel des Verkehrstrennungsgebietes hinter uns gelassen haben und uns der Ile d’Ouessant nähern. Und auch heute morgen schaut ein Delphin am Boot vorbei.

Am Vormittag ist wieder genug Wind zum Segeln, und wir sind froh, den Motor wieder ausmachen zu können. Eigentlich würden wir gerne noch einen Abstecher zur Ile d’Ouessant machen, doch dafür ist uns zu viel Wind vorhergesagt. Wir segeln also durch den Chénal de la Helle in die Rade de Brest.

Nach zwei Tagen und Nächten auf See legen wir am Nachmittag in der geschützten Bucht vor Camaret-sur-Mer unseren Anker aus. Und hier bleiben wir nun auch für vier Tage und verbringen eine entspannte Zeit vor Anker, lassen das Schlechtwettergebiet und einen Tag mit dichtem Nebel vorbei ziehen und erkunden dann bei Landausflügen das Örtchen Camaret und die Halbinsel Crozon.

Nach entspannten Tagen vor Anker fahren wir am 30. Juli nach Brest in die Marina du Moulin Blanc. Dort haben wir am nächsten Tag einen Krantermin, und da es am nächsten Tag Böen bis sieben Beaufort geben soll, kommen wir lieber einen Tag früher in den Hafen. Wir haben vor, das Boot aus dem Wasser kranen zu lassen, weil sich am Wasserpass stellenweise das Antifouling ablöst und wir das reparieren wollen. Und da Liegeplätze an Land günstiger sind, wollen wir es erst nach unserer Rückkehr nach Brest in etwa sechs Wochen wieder zu Wasser lassen.

Beim Anlegen am Fingersteg brauchen wir wegen des starken Seitenwinds drei Versuche, bis es klappt. Kaum haben wir alle Leinen fest, taucht ein Delphin ein Meter entfernt von Boot und Steg auf. Karin bekommt erst einen Riesenschreck, aber dann bestaunen wir uns gegenseitig aus nächster Nähe. Der Delphin wirkt sehr zutraulich und bleibt mehrere Minuten beim Schiff. Später erfahren wir im Hafenbüro, dass der Delphin ein Einzelgänger ist, der in der Rade de Brest lebt. So nah wie wir heute hat ihn dort aber noch niemand gesehen.

Abends telefonieren wir wegen des Kranens noch mit dem Vorbesitzer. Er ist überrascht, dass wir das Boot mehrere Wochen aus dem Wasser nehmen wollen. Ob uns denn wüssten, dass sich dann das Antifouling deaktiviert. Nein, das wussten wir nicht. Wir überlegen den ganzen Abend, was wir machen sollen, dann entscheiden wir, das Boot nach Möglichkeit bis zu unserer Rückkehr im Wasser zu lassen und erst dann die Arbeiten am Wasserpass durchzuführen. Als wir am nächsten Morgen die Situation im Hafenbüro erläutern, reagieren sie dort ganz gelassen und hilfsbereit, verschieben den Krantermin auf September und weisen uns einen guten Liegeplatz im Hafen zu.

Die nächsten Tage verbringen wir bei Regenwetter mit Vorbereitungen für unsere Abreise. Und wir gönnen uns, da wir es nun auf eigenem Kiel bis hierher geschafft haben, ein opulentes Meeresfrüchte-Essen in Brest. Wir haben so viel gelernt und erlebt in den letzten Wochen, nun freuen wir uns, Familie und Freunde wieder zu sehen.