Nach drei Wochen Aufenthalt in Teneriffa ist es Zeit für einen Tapeten- bzw. Inselwechsel. Als nächstes wollen wir La Palma besuchen und uns dort mit Torben, einem guten Freund von uns, und seiner lieben Familie treffen. Schon Anfang des Jahres haben wir festgestellt, dass wir gleichzeitig auf den Kanaren sein werden, und uns zu diesem Wiedersehen verabredet. Wir haben auf La Palma einen Platz in der Marina in Santa Cruz de La Palma reserviert. Zwar wäre Tazacorte auf der Westseite deutlich näher am Feriendomizil unserer Freunde gewesen, doch die dortige Marina hat keinen Platz für uns: Sie ist für die nächsten vier Monate ausgebucht! So schwierig wie jetzt auf den Kanaren haben wir es noch nie gehabt, einen Platz in einer Marina zu finden.
Am 13. November geht es gegen Mittag los. Von der Marina Tenerife sind es etwa 110 Seemeilen bis nach Santa Cruz de La Palma, und damit deutlich zu lang, um die Strecke komplett bei Tageslicht zurück zu legen. Wir entscheiden uns aufgrund des vorhergesagten Windes für einen Aufbruch gegen Mittag, um am nächsten Tag frühestens morgens anzukommen. Tatsächlich rechnen wir aber mit einer längeren Dauer, denn die meiste Zeit ist schwacher Wind oder Flaute angesagt.
Zu Beginn unserer Überfahrt ist allerdings von Flaute noch nichts zu merken. Zwischen den Kanarischen Inseln kanalisiert sich der Wind und beschleunigt sich dadurch stark. Es kommt daher nicht überraschend, dass wir, bis wir die Nordseite von Teneriffa erreicht haben, gegen vier Beaufort Windstärke ankreuzen müssen und mit gerefften Segeln unterwegs sind. Das Wetter ist wechselhaft mit Sonne und Wolken. Vor Regen bleiben wir verschont, doch wir sehen Schauer in der Nähe und einen Regenbogen. Der Abend kommt dann mit kurzem, aber wunderschönen Abendrot.
Als es dunkel ist, schläft dann wie vorhergesagt der Wind ein. Und da das auch die ganze Nacht so bleiben soll, bergen wir erstmals im Dunkeln nicht nur die Genua, sondern auch das Großsegel, damit es nicht die ganze Nacht bei Motorfahrt herumflattert.
Die Nacht ist mondhell und verläuft ruhig. Außer uns scheint nur ein hell erleuchtetes Kreuzfahrtschiff unterwegs zu sein, das ebenfalls nach Santa Cruz de La Palma unterwegs ist und uns langsam überholt. Wäre ich jetzt lieber dort an Bord? Keinesfalls!
Während Marcs morgendlicher Wache geht die Sonne hinter dem Teide auf und hüllt die Inseln La Gomera auf unserer Backbordseite und La Palma vor uns in kühles rosafarbenes Licht. Es ist bezaubernd.
Am Mittag erreichen wir die Marina im Hafen von Santa Cruz de La Palma. Während in der Marina Tenerife vor allem Boote von Einheimischen lagen, ist diese Marina geprägt von der internationalen Szene der Langfahrtsegler: Hier liegen große, für lange Segelreisen ausgestattete Boote aus Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Großbritannien, Belgien, Polen und den USA. Die meisten bereiten sich wie wir auf die Fahrt über den Atlantik vor, und auf vielen Booten wird noch am Equipment gearbeitet oder Proviant verstaut. Und es dauert auch nicht lange, bis wir die ersten Kontakte knüpfen und über Boote und Reisepläne plaudern.
Von der Marina aus ist man zu Fuß schnell in der Innenstadt von Santa Cruz. Die Inselhauptstadt hat eine schöne Fußgängerzone mit traditionellen Häusern, Palmen und erstaunlich vielen Einkaufsläden, die vermutlich vor allem von den Kreuzfahrttouristen leben. Statt Abendessen zu kochen schlendern wir am Abend nach unserer Ankunft durch die Stadt und suchen uns eine Tapasbar.
Der Besuch bei unseren Freunden beginnt mit einer grandiosen Wanderung: Torben holt uns an der Bushaltestelle ab und gemeinsam laufen wir drei von der Refugio del Pilar entlang der südlichen Vulkankette bis zum Ort Los Canarios an der Südspitze der Insel. Es geht über schwarzen Lavasand durch Wälder der Kanarischen Kiefer, vorbei an Lavafeldern und Vulkanschloten. Diese Landschaft mit ihren starken Farbkontrasten ist einmalig und begeistert uns, auch wenn zeitweilig die Fernsicht durch Nebel eingeschränkt ist. Als er aufklart sehen wir, mal wieder, den Teide auf Teneriffa in der Ferne (siehe auch Zu dritt auf Teneriffa). Er lässt uns einfach nicht los, der höchste Berg Spaniens.
Am Ende der Tour werden wir von Torbens Vater abgeholt und treffen uns mit Torbens Frau Bina und Töchterchen Lea in Tazacorte. Und wir übernachten auch im Ferienhaus der drei, was auch am nächsten Tag noch viel Raum für Gespräche unter guten Freunden lässt.
Im Hafen von Santa Cruz beschäftigen uns immer noch Vorbereitungen auf die Atlantiküberfahrt. Es gibt noch einige mehr oder weniger kleine Arbeiten zu erledigen, die uns in Summe aber doch tagelang beschäftigen: Mit Hilfe eines Yanmar-Technikers wird das Motor-Kühlwasser gewechselt, eine der Mittelklampen wird neu befestigt, an den Backstagen werden die Rollen gegen Aluminium-Rundkauschen getauscht, die Leinenführung für das Segeln mit ausgebaumter Genua wird verbessert, ein kleiner Riss im Unterliek des Großsegels wird geklebt, das Barometer, in dem die Batterien ausgelaufen waren, sowie das CO-Warngerät, das nach wiederholtem Runterfallen seinen Dienst aufgegeben hatte, werden beide erfolgreich repariert und und und. So wird die ToDo-Liste immerhin kürzer, wenn auch nicht komplett abgearbeitet – und es darf bezweifelt werden, ob man auf so einem Boot jemals mit allem fertig wird. Nach ein paar Tagen haben wir die Nase voll vom Werkeln an Bord. Schließlich wollen wir noch mehr von der Insel sehen!
Da ein Mietwagen direkt vom Hafen aus erst mit ein paar Tagen Vorlauf zu bekommen ist, erkunden wir zuerst mit dem Bus die Ostküste nördlich von Santa Cruz. Wir machen eine sehr schöne, jedoch anfangs etwas überlaufene Wanderung durch die Schlucht Barranco de La Galga.
Am nächsten Tag geht es dann bei einer kurzen, aber steilen Wanderung zuerst zum Naturschwimmbad El Charco Azul. Wir haben vorsorglich unsere Badesachen mitgenommen und erfrischen uns selbst kurz in dem natürlich geformten, aber durch eine Mauer vom Atlantik abgetrennten Schwimmbecken. Unser Rucksack mit allem, was wir dabei haben, steht derweil in Sichtweite. Als wir aus dem Wasser kommen, gibt es einen großen Schreck: Unsere beiden Smartphones sind weg! Wir sind sicher, sie ins Deckelfach des Rucksacks getan zu haben, doch nun ist keins mehr da. Wir fragen eine junge Frau, die neben unseren Sachen ihr Handtuch ausgebreitet hat, ob jemand an unseren Sachen war, doch nein, sie hat niemand gesehen. Von ihrem Smartphone aus rufen wir unsere beiden Nummern an, hören jedoch keinen Klingelton in der Nähe. Oh Nein! Als ich – nur um sicher zu gehen – das ganze Hautfach des Rucksacks auspacke, habe ich dann plötzlich unsere beiden Smartphones in der Hand. Wir haben uns wohl beide im Reißverschluss geirrt uns sie beide versehentlich in das Hautfach getan. Erleichtert fallen wir uns in die Arme.
Entlang der Küste erreichen wir bald das kleine Örtchen San Andrés, dessen Zentrum ein wunderschöner Platz neben der Kirche ist. Moment mal, hatten wir das nicht schon einmal? Ja, stimmt: Auch auf Teneriffa gab es nördlich von Santa Cruz (!) einen kleinen Ort namens San Andrés, in dem Marcs Mutter ihre Ferienunterkunft hatte. Es ist schon lustig, dass die Orte hier auf La Palma heißen wie auf Teneriffa, und das führt bestimmt häufig zu Verwirrung. Wir trinken in Ruhe einen Kaffee, dann geht es weiter durch Bananenplantagen wieder steil hinauf zur Bushaltestelle in Los Sauces.
Auf dem Weg zurück ist der Bus brechend voll. Wir müssen zwar stehen, sind aber froh, dass wir überhaupt mitgenommen wurden, denn schon zwei Haltestellen später lässt der Busfahrer niemand mehr zusteigen. Der Grund ist ein Fest in Santa Cruz: Heute, eine Woche vor dem ersten Adventswochenende, wird die Weihnachtszeit offiziell eröffnet, mit Ansprache des Bürgermeisters, Drohnenshow und Bühne. Die ganze Stadt ist voller Menschen, die Hauptstraße an der Küste für den Verkehr gesperrt und die Weihnachtsdekoration, die in den letzten Tagen stetig zunahm, nun hell erleuchtet. Wir sind mit einem jüngeren Pärchen aus dem Hafenverabredet, die mit ihrem Segelboot bis in die Karibik auf gleicher Route wie wir unterwegs sind. Gemeinsam schauen wir uns die Show und das bunte Treiben an und feiern mit.
Mit dem Mietwagen erkunden wir dann noch zwei Tage intensiv die Insel. Besonders beeindruckt sind wir vom Besuch am Roque de los Muchachos: Hier stehen eine ganzer Reihe hochklassiger astronomischer Teleskope, mit denen Forscher aus der ganzen Welt in die Weite des Alls schauen, um dort Antworten auf die ganz großen Fragen unseres Daseins zu finden. Hier auf La Palma ist dafür neben Hawaii einer der besten Plätze der Welt. Und auch der Blick vom Roque de los Muchachos ist grandios, denn wir sind direkt an der Kante des riesigen Erosionskraters Caldera de Taburiente.
Das Tal des Kraters Caldera de Taburiente besuchen wir am nächsten Tag auf einem kurzen Rundweg. Für den Parkplatz habe ich schon einige Tage zuvor einen Platz gebucht, denn das Gebiet ist Nationalpark und die Zahl der zugelassenen Besucher begrenzt. Die von Kiefernwald bedeckte Landschaft des steilen Talkessels erscheint uns nicht weniger imposant als die Nationalparks im Südwesten der USA.
Ganz im Nordwesten entdecken wir dann noch ein weiteres Gesicht der Insel: Verschlafene Orte an tiefen, trockenen Schluchten. Bei Las Tricias kommen außerdem noch einige der seltsam aussehenden Drachenbäume im Landschaftsbild dazu. Die Vielfältigkeit der Landschaft hat uns schon auf Teneriffa begeistert, doch auch hier auf der viel kleineren Insel La Palma bringt sie uns ins Staunen. Bis zu unserer Ankunft auf den Kanaren mit unserm Boot haben wir die Inseln vor allem mit Strand und Dünen assoziiert. Inzwischen haben wir gelernt, dass das ein völlig verzerrtes Bild der Inseln war, und wir haben es gründlich revidiert.
Inzwischen haben wir zwei Wochen auf La Palma verbracht und die Insel liebgewonnen. Doch wir wollen weiter nach La Gomera und haben dort auch einen Hafenplatz reserviert. Als sich für die Überfahrt in dem aktuell unbeständigen Wetter ein passendes Wetterfenster ergibt, bereiten wir unseren Aufbruch vor.