No Stress

Nach unserer Ankunft in Palmeira auf der Kapverdeninsel Sal fahren wir am Nachmittag des 11. Dezember erstmals mit dem Dinghy an Land, um einzuklarieren. Wie im Revierführer beschrieben werden wir an der Kaimauer gleich von Jugendlichen empfangen, die die Leine annehmen und den „Service“ anbieten, auf das Dinghy aufzupassen. Wir hinterlassen ihnen erwartungsgemäß einen kleinen Betrag in Euro-Münzen, dann machen wir uns auf in den Ort. 

Auch wenn die Kapverden als ziemlich europäisch geprägtes Land gelten, hier in Palmeira ist man gleich mitten im afrikanischen Flair. Die Häuser sind klein und bunt bemalt, der von den Fischern gefangene Fisch wird in einem offenen Unterstand direkt am Kai geputzt und verkauft, an der Straße werden Bananen angeboten und Touristen wie wir werden auch gleich von Frauen in farbenfroher traditioneller Kleidung und mit einer großen Schale auf dem Kopf angesprochen, ob sie nicht eines der Souvenirs kaufen möchten.

Wir drehen erstmal eine kleine Runde durch den etwas trostlos anmutenden Ort, lassen uns den Geldautomaten zeigen und kaufen eine SIM-Karte. Das Einklarieren bei der Polícia Maritima klappt reibungslos, allerdings ist der Kollege von der Polícia National nicht da, der für das Einreiseprozedere zuständig ist. Wir werden auf den nächsten Vormittag vertröstet. No Stress ist das Motto der Kapverden. Es begegnet einem überall, auf Häusern und Souvenirs, und es scheint die Grundeinstellung der Kapverdianer zu sein.

Am nächsten Vormittag ist das Polizeibüro für die Einreise immer noch nicht besetzt. Ich frage an einem Schalter der Ortsverwaltung im selben Haus, und man ist dort so freundlich, einen Polizisten anzurufen. Allerdings kommt einige Zeit später wieder nur jemand von der Polícia Maritima, nicht von der Polícia National. Aber er ruft seinen Kollegen an, und wir erfahren, dass der Nationalpolizist nun von seiner Station am Flughafen nach Palmeira kommt. Inzwischen drängt die Zeit etwas, denn wir wollen meinen Bruder Holger vom Flughafen abholen, der uns die nächsten zwei Wochen auf unserer Reise begleiten wird. Schließlich kommt der Polizist und wir bekommen den Einreisestempel. Und da wir wissen, dass der Polizist auch am Flughafen beschäftigt ist, fragt Marc ihn, ob er dorhin zurück fahre und uns mitnehmen könne. Zu unserem freudigen Erstaunen bejaht er gut gelaunt. Kurz darauf sitzen wir in einem alten Polizeibus auf dem Weg zum Flughafen und kommen pünktlich dort an.

Eigentlich wollen wir nur einen Tag auf Sal verbringen, denn die Insel ist eine trockene Steinwüste, die landschaftlich und kulturell nicht viel hergibt. Touristen bleiben überwiegend in den Ressorts am Strand ganz im Süden der Insel. Doch für den Tag, an dem wir weitersegeln wollen, ist Flaute angesagt. Wir beschließen, diesen Zusatztag für eine Tour zur Shark Bay und zur Saline zu nutzen, den beiden Hauptattraktionen.
Das öffentliche Transportmittel auf den Kapverden sind Aluguers, Kleinbusse, die auf mehr oder weniger festgelegten Routen fahren und starten, wenn sie voll besetzt sind. Wir nehmen ein Aluguer zur Inselhauptstadt Espargos und finden dort einen Fahrer, der uns zu einem annehmbaren Preis zu den beiden von uns gewünschten Zielen und zurück nach Espargos fährt.

Die Shark Bay ist eine steinige flache Bucht, in der es von Zitronenhaien wimmelt. Mit einem Guide watet man in Gummischuhen ins knietiefe Wasser, wo er dann mit einem Fischrest kleine Haie bis etwa einen Meter Länge anlockt. Sie schwimmen dann zum Greifen nahe – Anfassen ist allerdings verboten – direkt um einen herum, so dass man manchmal im Vorbeistreichen die raue Haihaut an seinen Beinen spürt. Es ist ein sehr besonderes Erlebnis.

Das Besondere an der Saline auf Sal ist, dass sie in einem Vulkankrater liegt. Ein kurzer Tunnel führt durch den Kraterrand, dann schaut man auf die Salzbecken und einen Salzsee, in dem man ein angeblich heilendes Bad nehmen kann. Wir schauen uns ein wenig um, machen uns auch aufgrund der Hitze aber schon bald wieder auf den Rückweg.

Der Fahrer bringt uns noch zu der inzwischen völlig verfallenen Seilbahnstation an einem kleinen Hafen, wo das Salz früher auf Schiffe verladen wurde, dann geht es nach Espargos zurück. Dort schlendern wir durch das Stadtzentrum, kaufen ein paar Kleinigkeiten im Supermarkt und nehmen dann ein Aluguer zurück nach Palmeira.

Dort stellen wir fest, dass unser Dinghy nicht mehr am Kai liegt. Es stellt sich heraus, dass es von einem jungen Mann „ausgeliehen“ wurde, der ankommenden Yachten etwas aufdringlich seine Dienste anbietet. Und nun ist er gerade damit im Ankerfeld unterwegs. Als er wieder zurückkommt, stellen wir fest, dass das abgeschlossene Fach mit dem Benzintank offenbar aufgehebelt wurde, um den von uns abgezogenen Benzinschlauch wieder anzuschließen. Zum Glück ist nichts kaputt gegangen, und als wir unsere Verärgerung zum Ausdruck gebracht haben, sind wir froh, am nächsten Morgen zur Nachbarinsel Boavista aufzubrechen.

Von Sal aus, das ganz im Nordosten des Archipels liegt, ist Boavista die nächstgelegene Insel nach Süden. Es ist ein angenehmer Tagestörn, auf dem wir jede Menge fliegende Fische sehen. Erstaunt beobachten wir, wie sie mehrere hundert Meter über der Wasseroberfläche zurücklegen und dabei Kurven „fliegen“. Eine Gruppe Delphine begleitet uns eine kleine Weile, und wir beobachten sie vom Vorschiff aus, wie sie in unserer Bugwelle spielen. Zu meiner großen Überraschung sehe ich außerdem, wie in einiger Enfernung ein Rochen aus dem Wasser springt. Seine Silhouette ist für einen Moment komplett zu sehen. Es scheint ein ziemlich großes Tier zu sein, und eine kurze Internetrecherche am Abend ergibt, dass es vermutlich ein Manta war.

Am späten Nachmittag werfen wir in der Nähe der Stadt Sal Rei unseren Anker. Von unserem Ankerplatz aus sehen wir die Kite-Surfer in den Wellen vor dem langen Sandstrand. Dieser Ort ist bekannt als Eldorado für Kite-Surfer, auch der Weltmeister kommt von hier. Wir kühlen uns bei einem Bad von Bord ab und genießen den Abend im Ankerfeld.

Für den nächsten Tag haben wir eine geführte Tour über die Insel gebucht. Wir fahren also mit dem Dinghy nach Sal Rei, suchen die Polizeistation und melden uns bei der Polícia Maritima an. Auf den Kapverden müssen wir uns auf jeder Insel wieder neu an- und wieder abmelden. Die Bootspapiere werden in der Zwischenzeit einbehalten. Da wir allerdings nur einen Tag auf Boa Vista verbringen wollen, können wir An- und Abmeldung gleichzeitig durchführen.

Wir schauen uns noch ein bisschen in der Stadt um. Sal Rei ist deutlich größer und weniger touristisch als Palmeira. Das ist angenehm, denn wenn man nicht gerade an der Hafenpromenade entlangspaziert, wird man auch nicht ständig angesprochen und belagert, eine Tour, ein Souvenir oder sonst irgendwas zu kaufen.

Unser Guide holt uns pünktlich am Hafen ab, dann fahren wir durch trockene Landschaft mit vereinzelten vulkanischen Bergen, an Palmenhainen und der Hauptstadt Rabil vorbei nach Süden, in den Ort Povoação. Es ist angeblich der älteste Ort der Insel, doch uns scheint es einfach ein verschlafenes, auf Touristen lauerndes Dörfchen zu sein. Wir schlendern einer Runde durch den Ort, ungefragt begleitet und kommentiert von einer hübschen jungen Frau, der wir dann auch brav in ihr kleines Souvenirlädchen folgen und einen bunten Fächer abkaufen. Auch der kleinen Bar des Ortes statten wir einen Besuch ab, dann geht es weiter.

Mit dem Jeep geht es nun auf einer unbefestigten Piste zur Küste und die Landschaft geht von einer Trockensteppe allmählich in Sanddünen über. Als wir dann das Meer erreichen, sind wir begeistert. Wir sind ganz allein an einem kilometerlangen, traumhaft schönen Strand, der dann in vulkanische Felsformationen übergeht.

Die weitere Fahrt führt über eine grobe Piste an der Küste nach Norden. Die Landschaft ist teils Stein-, teils Sandwüste, und beeindruckt durch ihre Weite. An einer felsigen Bucht steigen wir aus, und unser Guide zeigt uns Meeresschildkröten, die immer wieder im Wasser zu sehen sind.

Wir sind zufrieden, in unsere Route den kurzen Besuch in Boa Vista noch eingeplant zu haben. Auch wenn die Insel wie Sal vor allem aus trockener, wüstenartige Landschaft besteht, so hat sie doch ihren eigenen Charakter und beeindruckende Natur zu bieten.

Zurück an Bord waschen wir uns bei einem Bad im Meer Schweiß und Staub ab. Es wird eine kurze Nacht, denn schon um drei Uhr früh wollen wir den Anker lichten, um in einem langen Schlag nach São Nicolau zu segeln.