One part of sour, two parts of sweet …

Am 15. Januar kommen wir nach 16 Tagen Atlantiküberfahrt auf Barbados an. Ich hatte erwartet, nach so einer langen Zeit auf See voller Tatendrang die Insel erkunden zu wollen, doch das ist nicht der Fall. In der ersten Nach vor Anker schlafen wir gründlich aus und stehen spät auf. Wir haben gleich am Ankunftstag einklariert und eine SIM-Karte besorgt. Nun lesen wir die Chats und Emails der letzten gut zwei Wochen, antworten, erstellen die ausstehenden Beiträge für Instagram und Reiseblog, machen ein paar anstehende administrative Arbeiten und lesen. So verbingen wir den kompletten ersten Tag an Bord mit Blick auf das türkisblaue Wasser, den weißen Sandstrands und das gepflegte Urlaubsressort von Port St. Charles; doch wir haben noch nicht verinnerlicht, nun wirklich in der Karibik angekommen zu sein. Wir sind träge und antriebslos. Lange war die Atlantiküberquerung unser großes Ziel. Nun haben wir es erreicht und sind darauf auch sehr stolz. Und jetzt? Wir sind in ein Motivationsloch gefallen.

Im gleichen Ankerfeld liegt auch das Boot der französischen Familie, die am selben Tag wie wir von Mindelo gestartet ist und mit der wir am zweiten Tag unserer Überfahrt per Funk geplaudert haben (siehe Beitrag Die Atlantiküberfahrt). Immerhin können wir uns am nächsten Tag aufraffen, uns mit ihnen zum Mittagessen in einer nahen Strandbar zu treffen. Wir fahren mit dem Dinghy direkt an den Strand und sind sofort begeistert vom Karibik-Flair: Der feine weiße Sand mit rundgescheuerten Korallenstücken statt Muscheln, Palmen und andere tropische Bäume und direkt hinter dem Strand die erstaunlich gut besuchte Strandbar.

Wir lassen uns den Fischburger und ein auf Barbados gebrautes Banks-Bier schmecken und plaudern mit der französischen Familie. Sie sind zu fünft unterwegs, mit zwei Kindern im Grundschulalter und einem Freund als weiterem Crewmitglied. Ihnen sind bei der Schaukelei auf dem Atlantik zwei Segellatten gebrochen, danach sind sie ziemlich viel motort und waren daher vor uns in Barbados. Heute wollen sie weitersegeln, denn ab dem nächtes Tag steht eine lange Starkwindphase an und sie wollen rechtzeitig vorher in Martinique sein.

Aufgrund des angekündigten Windes und den entspechend hohen Wellen verlegen wir unseren Ankerplatz nach Bridgetown, der Hauptstadt von Barbados, in eine vom Schwell geschützte Ecke direkt nördlich des Coast Guard Headquarters vor dem Brandons Beach. Gleich beim Ankern sehen wir in der Nähe des Bootes eine Schildkröte im türkisblauen Wasser. Wenn man die neben uns liegenden Hafenanlagen mit den Silos und die Kreuzfahrtschiffe am nahe gelegenen Pasagierterminal ausblendet, ist das hier ein durchaus schönes Plätzchen.

Mit dem Dinghy und einem Berg schmutziger Wäsche fahren wir zum nahen Hafen und finden einen praktischen Anlegeplatz für unser Beiboot zwischen Ausflugskatamaranen und Angelbötchen. Im Waschsalon wird uns der Service des Waschens und Trocknens abgenommen. In der Zwischenzeit machen wir einen ersten Rundgang durch Bridgetown.

Bridgetown ist eine trubelige Karibikmetropole. Das Stadtviertel der Einheimischen, durch das wir Richtung Innenstadt laufen, ist gepägt von bunten, niedrigen Häuschen und vielen kleinen Geschäften. Auf dem Weg Richtung Innenstadt werden die Häuser größer und die Stadt voller. Im Zentrum kommen wir dann auf die Haupteinkaufstraße, in der große Duty Free Kaufhäuser mit Schmuck, Perfum und anderen Luxusgütern um die zahlreichen Kreuzfahrttouristen buhlen. An den älteren Gebäuden der Innenstadt und den Plätzen entlang des Constitution Rivers ist der Kolonialstil der Engländer noch deutlich sichtbar.

Wir drehen eine Runde durch die Innenstadt, kommen am National Heroes Square vorbei, auf dem auch Rihanna ihren Ehrenplatz hat, und gehen entlang des Constitution River und stellen uns am Independence Square eine Weile vor einem Regenschauer unter. Es ist alles ziemlich sauber und gepflegt, auch streunende Hunde scheint es hier nicht zu geben. Unser Eindruck von Barbados ist der einer relativ wohlhabenden karibische Ferieninsel für Amerikaner mit deutlichen Spuren der englischen Geschichte.

Um noch mehr von der Insel zu sehen, fahren wir ein paar Tage später mit dem Bus zu dem an der Westküste gelegenen Ort Bathsheba. Von hier aus machen wir eine kleine Wanderung nach Chalky Mount, wo traditionell Ton abgebaut und Tongefäße hergestellt werden. Die Wanderung führt zuerst entlang einer wenig befahrenen Nebenstraße auf eine Anhöhe an der Küste. Als wir uns eine Pause in einer kleinen Bar gönnen, nehmen wir in der Nähe Bewegung wahr: Es eine Affenfamilie, die sich vor der Hitze in den Schatten unter einem Baum zurückgezogen hat.

Über einen schmalen Pfad führt unser Weg dann die Chalky Mounts hinunter and die Küste, wo die Wellen des Atlantik tosend auf einen traumhaften, von Palmen gesäumten Sandstrand treffen. Baden ist wegen der starken Strömungen hier verboten.

Ein weitere Ausflug mit dem Bus führt uns nach Six Cross Roads, von wo aus wir zum Sunbury Plantation Great House laufen, dem Herrenhaus einer früheren Plantage. Wir machen eine Führung durch die Räume mit ihrer damaligen Ausstattung und erfahren einiges über das Leben der Familie des Plantagenbesitzer. Der Betrieb der Plantage und die Sklaverei als Basis für den Wohlstand der Plantagebesitzer sind nicht Teil des Informationsprogramms. Der üppige Garten des Hauses ist wunderschön, und nachdem wir den in der Führung inbegriffenen Rum-Punsch getrunken haben, verbringen wir dort noch eine Weile, beobachten Kolibries und warten (vergeblich) auf eine Mitfahrgelegenheit mit anderen Besuchern zurück nach Bridgetown.

Am unserem Ankerplatz leben wir uns inzwischen in das Karibik-Flair ein. Fast jeden Tag baden wir vom Boot aus und genießen das türkisgrüne Wasser, das sich mit seinen 28 °C beim ersten Eintauchen schön erfrischend, dann angenehm warm anfühlt. Immer wieder entdecken wir Schildkröten im Wasser. An unserem Dinghy-Parkplatz im Hafen lässt uns eine ganz nah an sich heran, so dass wir ihr beim Fressen zuschauen können. Als Marc mit Schnorchelausrüstung Entenmuscheln vom Bootsrumpf spachtelt, schwimmt eine Schildkröte neugierig an ihn heran und schaut ihm zu – so wird es uns jedenfalls vom Nachbarboot am Ankerplatz berichtet, wir beide sehen sie leider nicht.

Unsere Essensvorräte haben wir noch auf den Kanaren stark aufgestockt, doch unser Bestand an alkoholischen Getränken ist praktisch null. Eine Flasche Cremant hatten wir uns zur Feier der Ankunft aufbewahrt, aber die ist nun auch getrunken. Warum auch Wein und Bier mit hierher bringen, wo es doch in der Karibik guten Rum geben soll?

Unseren ersten lokalen Rum-Punsch haben wir in einer kleinen Plastikflasche aus der Strandbar bei unserem ersten Ankerplatz mitgenommen, um ihn abends an Bord zu genießen. Und er schmeckte uns sehr. Mit einer kurzen Internetrecherche lässt sich das auf Barbados gängige und in unzähligen Varianten umgesetzte Grundrezept für den hier typischen Planter’s Punch finden: “One part of sour, two parts of sweet, three parts of strong, and four parts of weak”. So entsteht schon bald mit Barbados-Rum, Limettensaft, einem süßen Fruchtsaft und Wasser (Eis haben wir leider nicht an Bord) ein Rum-Punch nach Art des Hause bzw. Bootes, den wir uns bei den kurzen Sonnenuntergängen schmecken lassen – zu zweit und auch zu viert bei schönen gemeinsamen Abenden mit der Crew des Nachbarbootes.

Wir haben also schon unsere ersten Erfahrungen mit Rum gemacht, als wir uns für eine Führung durch die nahe gelegene Stade’s West Indies Rum Distillery anmelden. Nach einem Rum-Punsch zur Begrüßung werden wir durch die Stationen der Rum-Herstellung geführt, bekommen alles engagiert, ausführlich und sehr kompetent erklärt, dürften die verwendeten Melasse-Sorten aus Barbados und Dominica sowie den reifenden Rum aus dem Faß probieren und können zum Abschluss in wunderschöner Strandbaratmosphäre noch vier verschiedene Sorten von Rum testen. Nach so viel Alkohol brauchen wir danach – es ist Mittagszeit – erstmal etwas zu essen, bevor wir angeheitert über den weißen Sandstrand des Brandons Beach zu unserem Dinghy zurückspazieren.

Nach zwei entspannten Wochen auf Barbados machen wir uns auf die Weiterreise. Wir werden Ende Februar auf Martinique Besuch aus der Heimat bekommen und wollen daher in einem Zug bis Guadeloupe segeln, um bis dahin die Inseln im Norden von Martinique zu erkunden. Daher fahren wir am 30. Januar wieder nach Port St. Charles, klarieren dort aus, tanken Diesel, füllen unseren Frischwassertank und machen uns auf den Weg.