Todesküste und Erzengelin

Nach einer Woche Warten in A Coruña haben wir am 19. Juni endlich passenden Wind für die Weiterfahrt. Wir wollen zusammen mit Florian noch bis in in die Rias segeln, fjordartige Meereseinschnitte an der Westküste Spaniens, bevor sein Urlaub vorbei ist und er wieder nach Hause muss. 

Da es morgens heftig regnet, starten wir erst am späten Vormittag bei trübem, kühlen Wetter, warm eingepackt in unser Ölzeug. Der Wind ist gut, doch schon in der Ausfahrt aus der Bucht von A Coruña steht ordentlich Welle, die uns auch über den Tag begleitet und mich gleich wieder „die Fische füttern“ lässt. So hatten wir uns das Segeln in Spanien eigentlich nicht vorgestellt.

Abend haben wir es bis Corme geschafft und ankern in der Bucht vor der Stadt. Für einen Landgang ist es uns zu grau und zu spät. 

Wir starten nach einer ruhigen Nacht gut ausgeruht, aber dennoch etwas angespannt in den Tag. Für uns geht die Tour heute um das Cap Finisterre. Vor der Entdeckung Amerikas dachte man, dies sei das Ende der Welt. Die raue Küste zwischen A Coruña und dem Cap Finisterre trägt den Namen Costa da Morte, Todesküste, weil hier früher viele Schiffe vom Wind auf die Felsen getrieben wurden und dort sanken. Uns wurde in A Coruña von anderen Seglern prophezeit, dass es bis zu dem berüchtigten Kap rau bleiben und erst danach ruhiger und wärmer würde. Entsprechend sind wir auf eine lange, ungemütliche Etappe nach Muros vorbereitet.

Auch dieser Tag ist überwiegend grau, doch immerhin sind die Wellen angenehmer als am Tag zuvor. Als wir nachmittags das Cap Finisterre passieren, präsentiert es sich bei ruhigen Bedingungen ganz harmlos, und kurze Zeit später hellt sich auch das Wetter etwas auf. 

Wir ankern vor dem Hafen von Muros und genießen nach dem trüben Tag die Abendsonne. Nun haben wir die Ría de Muros e Noia erreicht. Und tatsächlich ist dieser Meereseinschnitt ein gut geschütztes Segelrevier mit ganz eigenem Charakter. Die bewaldete, bergige Landschaft erinnert uns eher an die oberitalienischen Seen als an die raue und felsige Atlantikküste, die nur ein kurzes Stück entfernt ist.

Am nächsten Morgen fahren wir mit dem Dinghy in den Hafen von Muros und bummeln bei schönen Wetter durch das Städtchen. Endlich mal wieder ein richtig sonniger Tag! Die hübsche Altstadt ist unerwartet groß und belebt. Und in der Kirche von Muros begegnen wir dann überraschend dem Schutzpatron und Namensgeber unseres Boots, St. Raphael – beziehungsweise unserer Schutzpatronin und Namensgeberin, denn die Statue stellt offenbar eine Frau dar. Das passt natürlich besonders gut zu unserem Boot, schließlich ist es die St‘ Raphaël. 

Wir trinken gemütlich einen Kaffee, essen dazu Churros und schauen uns am Hafen die Boote zur Muschelernte an. Die Muschelzucht hat in den Rias den Fischfang abgelöst und ist neben dem zunehmenden Tourismus zur Haupteinnahmequelle geworden. Entsprechend sind überall die großen, rechteckigen Plattformen zu sehen, an denen die Muscheln bis zur Ernte heranwachsen.

Von Muros aus fahren wir in die große Badebucht Punta Aguieira. Die Sonne scheint, es ist warm und wir wollen die Gelegenheit zum Baden nutzen. Allerdings ist es Marc und mir dann doch noch zu frisch dazu, so dass wir uns mit einer Dusche an Deck begnügen und nur Florian sich in das kalte Atlantikwasser wagt. Aber trotz des kalten Wassers: Es ist wunderschön hier und wir genießen die Sonne nach den vielen trüben Tagen.

Heute ist Florians letzter Tag an Bord. Es ist eigentlich schade, dass wir mit ihm eine ganze Woche lang in A Coruña festgesessen haben und daher nur so wenig Zeit in den Rias verbringen konnten. Andererseits: Als wir überlegen, was wir seit seiner Anreise in Quiberon alles erlebt haben (siehe Über die Biskaya und Hafentage in A Coruña), kommen eine Menge Erlebnisse, schöne Erinnerungen und unerwartete Begegnungen zusammen. Florian an Bord zu haben war und ist für uns eine Bereicherung, und wir sind dankbar für die schöne Zeit, die wir zusammen verbracht haben.

Abends fahren wir noch ein kurzes Stück bis Portosin und ankern dort vor dem Hafen. Mit dem Dinghy fahren wir an Land und lassen es uns zum Abschluss der gemeinsamen Zeit in einem Fischrestaurant gut gehen.

Am nächsten Morgen bringen wir Florian samt Gepäck mit dem Dinghy an Land und zur Bushaltestelle. Für ihn steht nun die anderhalb Tage lange Reise mit Bus und Bahn nach Hause an. Wir legen nach einem Rundgang durch das etwas nichtssagende Städtchen das Boot wieder in die Badebucht um, in der wir am Tag zuvor den Ankerstop eingelegt haben. 

Wir haben nun Zeit, in aller Ruhe die Rias zu erkunden – und für die nächsten Tage ist dafür richtig warmes Sommerwetter angesagt.