Nach über vier Wochen in Brest freuen wir uns, als wir am 9. Oktober endlich wieder ablegen. Unser Ziel für heute ist für Segler ein Highlight in der Bretagne, die Ile d’Ouessant. Schon auf dem Weg von Großbritannien hierher hätten wir gerne einen Abstecher dorthin gemacht. Doch das Wetter war, typisch für die Insel, zu stürmisch für einen Aufenthalt.
Die Ile d’Ouessant liegt westlich der Westspitze der Bretagne und ist bekannt für oft raues Wetter. Sie ist von zahlreichen Felsen und Untiefen umgeben, außerdem sind auf der Fahrt mit dem Boot dorthin die Gezeitenströmungen zu beachten. Nicht umsonst gibt es um die nur etwa 15 Quadratkilometer große Insel herum fünf Leuchttürme. Einer davon ist übrigens auf dem weltbekannten Foto zu sehen, das den Leuchtturmwärter in der offenen Tür des Turms zeigt, der von einer riesigen Welle erfasst wird. Einen für uns geeigneten Hafen gibt es auf Ouessant nicht, wir wollen daher in einer Ankerbucht auf der Ostseite übernachten. Von rauem Wetter ist allerdings nichts zu merken, als wir morgens bei sonnigem, klarem Himmer und Windstille ablegen.
Bei der Ausfahrt aus der Rade de Brest haben wir die Strömung gegen uns, aber das nehmen wir in Kauf, damit wir in der anschließenden Durchfahrt des Chenal du Four die deutlich stärkere Strömung mit uns haben. Da es leider sehr schwach windig bleibt, legen wir die dreißig Seemeilen komplett unter Motor zurück.
Beim Ankermanöver in der Baie du Stiff haben wir dann überraschend einen dritten Beteiligten: Ein Delphin kommt zum Boot, und als wir nach dem Auslegen des Ankers mit dem Motor rückwärts fahren, damit der Anker fest sitzt, schubbert er sich an der gespannten Ankerkette Bauch und Rücken.
Wir lassen das Beiboot zu Wasser und rudern an Land. Dort wollen wir uns eigentlich Fahrräder leihen, um die Insel per Rad zu erkunden, doch alle Verleihstationen am nahen Fähranleger haben geschlossen. Daher machen wir uns zu Fuss auf dem Weg nach Lampaul, dem Hauptort auf der Insel. Dort gibt es zu unserer freudigen Überraschung noch geöffnete Fahrradverleihe. Wir verhandeln für die verbleibenden eineinhalb Stunden bis zum Ladenschluss einen Sonderpreis und machen uns mit den Rädern auch gleich auf den Weg zu einer kleinen Rundtour an den Leuchtturm Phare du Créac’h und an die Nordwestküste.
Auch für den Weg zurück zur Ankerbucht können mit die Fahrräder nutzen und sie dort stehen lassen, was den Rückweg deutlich schneller macht. In der Bucht sehen wir den Delphin wieder, wie er sich im Hafen an einer Festmacherleine den Rücken reibt und anschließend ein paar Sprünge im Hafenbecken macht, bei denen er sich auf den Rücken fallen lässt. Anscheinend wird das Tier von einem juckenden Hautproblem geplagt. Auf Fotos fällt uns später auf, dass der Delphin eine charakteristische Einkerbung auf der Rückenflosse hat, so wie der im Hafen von Brest (siehe Beitrag Delphine auf Stippvisite). Ob es derselbe ist?
Wir hätten gerne noch einen Tag auf der Insel verbracht. Doch bei der Wettervorhersage der nächsten Tage wäre das für unsere weitere Segelstrecke ungünstig. Wir brechen also am nächsten Morgen, sobald es hell genug ist, bei trübem grauen Wetter wieder auf, um das inzwischen deutlich kürzere Tageslicht für die über 50 Seemeilen lange Fahrt nach Roscoff zu nutzen. Der Wind ist immer noch recht schwach und kommt direkt von hinten, so dass wir mit dem Boot erstmals Schmetterlingssegeln ausprobieren. Immerhin haben wir den größten Teil der Strecke unter Segeln zurückgelegt, als wir abends die Marina Roscoff erreichen. Wir genießen den wunderbaren warmen Oktoberabend, unseren letzter Abend in der Bretagne.
Die nächsten zwei Tage wollen wir für die Strecke nach Cherbourg nutzen, um dann dort eine Starkwindphase abzuwarten. Am Vormittag brechen wir zur Kanalinsel Guernsey auf, wo wir einen Zwischenstopp machen wollen. Spätabends erreichen wir dort die Bucht Havelet Bay südlich von St. Peter Port, wo wir unser erstes Ankermanöver im Dunkeln absolvieren.
Es wird nur ein sehr kurzer Zwischenstopp, denn aufgrund der weiteren Wettervorhersage ist eine Weiterfahrt mit der nächsten passenden Tide sinnvoll. Der richtige Zeitpunkt für die Strecke nach Cherbourg ist wichtig, denn wir passieren dabei das Alderney Race, einen Bereich mit sehr starker Strömung und Wellen zwischen Alderney und der französischen Küste. Für uns bedeutet das einen Aufbruch um drei Uhr morgens und eine Schlafpause von gerade mal drei Stunden.
Entsprechend verpennt sind wir, als wir den Anker wieder aufholen. Und wir denken beide nicht daran, dass die Ankerkette beim Aufholen von der Bugkabine aus im dafür vorgesehenen Kettenkasten verteilt werden muss. Tut man das nicht, kann sie sich in die Ankerwinsch stauen und diese so verblocken und beschädigen. Und genau das passiert. Während wir also die Ankerkette mitten in der Nacht nach oben holen, blockiert plötzlich die Ankerwinsch. Dann geht gar nichts mehr, weder aufwärts noch abwärts. Wir versuchen, die Kette Hand über Hand ohne die elektrische Ankerwinsch aufzuholen, doch das Gewicht ist einfach zu groß, aus eigener Kraft schaffen wir das nicht. Damit befinden wir uns in einer kritischen Situation, denn einerseits können wir mit dem Boot nicht mehr weg, andererseits liegen wir so auch nicht sicher vor Anker, denn ein gutes Stück der Kette haben wir schon eingeholt. Schließlich versuchen wir, verblockte Kettenglieder mit Hilfe eines Seils aus der Ankerwisch zu ziehen. Auch das ist zunächst erfolglos. Erst als wir mit einer Umlenkrolle die Zugrichtung optimieren und das Seil mit einer manuellen Winsch im Cockpit stark spannen, kommt die verblockte Kette mit einem Mal frei. Uns beiden fällt ein Stein vom Herzen. Und noch größer ist die Erleichterung, als wir feststellen, dass auch die elektrische Ankerwinsch noch funktioniert.
Es ist vier Uhr morgens, als wir endlich den Anker lichten und uns auf den Weg nach Cherbourg machen. Für eine günstige Tidenströmung im Alderney Race ist das noch rechtzeitig. Durch die Engstelle zwischen Alderney und dem französischen Festland werden wir mit sechs Knoten Strom geschoben. Und auch wenn es bei der Passage noch so dunkel ist, dass man die Turbulenzen im Wasser nicht sehen kann, spüren wir, wie unser schweres Stahlboot dort wie ein Korken von den Wirbeln auf dem Wasser hin- und hergeschoben wird.
Am späten Vormittag kommen wir im Hafen von Cherbourg an und legen uns nach dem Einchecken erstmal wieder hin, um den fehlenden Schlaf nachzuholen.