Der Zoll klopft an

Am 25. Mai verabschieden wir morgens in Perros-Guirec unsere Freunde, die mit uns entlang der Nordbretagne gesegelt sind. Sie müssen wieder nach hause. Für uns wird es allmählich Zeit, in die Südbretagne zu kommen, denn dort sind wir in einer Woche schon mit unserer nächsten Freundescrew verabredet. Leider sieht die Wettervorhersage nicht gut aus: Erst Flaute, dann Starkwind – also mal sehen, wie weit wir kommen.

Wir entschließen uns, den Flautentag für die Fahrt nach Aber Wrac’h zu nutzen, auch wenn das etwa 50 Seemeilen unter Motor bedeutet. Immerhin bringt uns das in eine gute Ausgangsposition, um die Westspitze der Bretagne zu umrunden und in die Südbretagne zu kommen. Die Nordbretagne zeigt sich nun von ihrer trüben Seite: Es ist grau und regnet zeitweise.

In Aber Wrac’h machen wir an einer Boje vor dem Hafen fest, weil am Steg kein Platz für uns ist. Wegen des starken Windes steht nun erstmal ein Hafentag an, an dem wir eigentlich die Gegend mit dem idyllischen Flusslauf erkunden und die Austern des lokalen Züchters genießen wollen. Doch als wir am nächsten Vormittag das Dinghy klarmachen wollen, um an Land zu kommen, steht so viel Schwell vom Meer an, dass wir es nicht wagen, den schweren Außenbordmotor an dem schwankenden Schlauchboot anzubringen. Und da wir in einem Flußlauf mit ordentlich Strömung liegen, scheint uns auch Rudern keine gute Option zu sein. Wir bleiben also an Bord, was eigentlich nicht schlimm ist, denn es gibt genug zu tun mit Blogschreiben und Administrativem, doch vor allem Karin ist gefrustet: Da sind wir nun in so einem schönen Ort und sehen doch so wenig davon. Und den Austernverkauf haben wir auch verpasst.

Nach zwei Nächten an der Boje legen wir das Boot an einen freien Platz im Hafen um. Da das Wetter schlecht bleibt, richten wir uns auf zwei weitere Tage im Hafen ein. Wir wollen eine Wanderung in den nächst größeren Ort machen, dort einkaufen und dann mit dem Bus zurückfahren. In der nahe am Hafen gelegenen Touristeninformation erfahren wir allerdings, dass der von uns vorgesehene Wanderweg entlag des Flusses seit dem Orkan im Herbst davor (siehe auch Beitrag Finale Furioso) unpassierbar ist. Als wir noch über Alternativen beraten, kommen wir mit einem deutschen Pärchen ins Gespräch. Sie bieten spontan an, uns in ihrem Auto zum Supermarkt mitzunehmen, und diese Gelegenheit lassen wir uns nicht entgehen. 

Als wir von unserem Bootsleben berichten, sind die beiden gleich Feuer und Flamme: Ein Boot zu kaufen, darauf zu leben und von dort zu arbeiten ist ihr großer und recht konkret ausgereifter Traum, trotz wenig Segelerfahrung. So kommt es, dass sie uns auch vom Supermarkt wieder zurück zum Hafen fahren und wir sie zu einem Abend an Bord mit Bootsführung einladen. Und so nimmt dieser Tag eine überraschende Wendung mit Großeinkauf und einem schönen Abend zu viert an Bord bei einer Flasche Wein und einer erfrischenden Unterhaltung über unser Boot, unser Bootsleben und den bisherigen und geplanten Lebensweg unserer Besucher.

Nach einem weiteren verregneten Hafentag, den wir zum Wäsche waschen nutzen, kommt das Wetterfenster für die Umrundung der Westspitze der Bretagne: Am 29. Mai legen wir morgens um 6 Uhr bei trübem Wetter ab, noch mit Positionslampen wegen der Dunkelheit und Radar wegen der schlechten Sicht. Erst motoren wir gegen den Strom, um pünktlich eine halbe Stunde vor dem Hochwasser in Brest den Leuchtturm Le Four zu passieren. So schaffen wir es, nicht nur durch den Chenal du Four mit passendem Strom zu segeln, sondern auch noch die mindestens ebenso für ihre Strömungen berüchtigte Raz de Seine bei Stillwasser zu passieren.

Für den Großteil der Strecke haben wir perfekten Segelwind, auch wenn es immer mal wieder nieselt oder regnet. Allerdings sind die Wellen vom Wind der letzten Tage noch unangenehm. Und so kommt es, dass Karins Übungen aus dem Seminar gegen Seekrankheit irgendwann nicht mehr reichen, und sie das erste Mal auf der St‘ Raphaël „die Fische füttert“. Ein herber Rückschlag, auch wenn sich ihre Empfindlichkeit schon stark reduziert hat und sie Beginn des Jahres keine Medikamente gegen Seekrankheit mehr eingenommen hat, auch nicht wie im letzten Jahr zur Vorbereitung auf lange unruhige Etappen. 

Wie zur Aufmunterung kommt ein paar Meilen vor unserem Etappenziel Audierne eine Gruppe Delphine zum Boot. Wir entdecken sie ganz überraschend bei einer Halse, und sie begleiten uns noch ein Stück. So erreichen wir doch versöhnt mit dem Tag nach über 60 Seemeilen zufrieden die Bucht von Audierne in der Südbretagne. Zwar müssen wir noch drei Stunden an einer Boje vor dem Strand warten, bis die Tide für die Einfahrt in den Hafen hoch genug steht, doch diese Zeit nutzen wir gerne für ein Nickerchen.

In Audierne steht wieder ein Hafentag an. Wir schauen uns den jetzt in der Vorsaison noch ziemlich verschlafenen und überraschend hübschen Ferienort an. Marc ergänzt die Einkäufe um frisches Gemüse und Obst, während Karin zu einem Fischhandel läuft, wo es die heimischen Austern aus der Zucht im Fluss Goyen gibt. Zurück an Bord putzen wir gerade das Boot und machen die noch nie (!) benutzte Toilette unseres Gästebads durch eine Wartung betriebsbereit, als wir überraschend Besuch bekommen: Drei Beamte vom französichen Zoll klopfen an und machen eine Kontrolle bei uns.

Sie prüfen die Bootspapiere, die Frequenzzuteilungsurkunde für unsere Funkanlage sowie unsere Personalausweise, machen eine Personenabfrage über uns, fragen nach bisheriger Route und weiteren Reiseplänen und inspizieren schließlich alle Räume des Bootes und stichprobenweise ein Vorratsfach im Salon. Alles läuft professionell und freundlich ab. Wir beantworten alle Fragen und dürfen von der Kontrolle auch Foto machen. Schließlich ist alles erledigt und es gibt nichts zu beanstanden.

Danach können wir uns endlich daran machen, das besondere Abendessen vorzubereiten: Frische Austern, aus lokaler Zucht und schön groß (N° 2), ganz einfach mit Salat und Weißwein. Wunderbar!


Am nächsten Tag geht es weiter in den wunderbaren Hafen von Loctudy. Hier kommen abends zwei Freunde an Bord, die uns eine Woche an Bord begleiten wollen. Wir freuen uns schon darauf.