Ein unerwarteter Höhepunkt

Unsere Tour von Vlissingen nach Westen in Richtung Frankreich beginnt am 29.04.2023. Wir nutzen die Mittagsöffnung der Dokbrug, um die Tidenströmung Richtung Westen zu nutzen. Es ist erst leichter Wind, dann frischt er am frühen Nachmittag auf angenehme drei Beaufort auf, und wir kommen in der mitschiebenden Strömung gut voran.

Wir freuen uns über dieses schöne Segeln und die über acht Knoten Fahrt über Grund, als es plötzlich ein knallendes Geräusch gibt, wie von einer reißenden Leine. Und richtig: Unser Großsegel wirft Falten, uns ist das Großfall gerissen. Wir starten den Motor, fahren in den Wind und holen die Segel ein. Das Großsegel lässt sich ohne Probeme nach unten ziehen. Dieser Schaden ist zwar ärgerlich, aber wir sind froh, dass er unter so moderaten Bedingungen passiert ist und dass wir die Situation gut gemeistert haben. Als Ersatz für das Großfall setzen wir Dirk ein, so segeln wir den Nachmittag bei kühlem, aber sonnigem Wetter mit wunderbarem Wind entspannt entlang der belgischen Küste.

Das Panorama, das sich dort bietet, ist allerdings speziell: Herrlicher Sandstrand, direkt dahinter dichte Bebauung mit Hochhäusern. Uns war bisher nicht klar, dass das kurze Stück belgische Küste so zugebaut ist. Nachdem wir Oostende passiert haben, wird der Wind weniger, und auch der Strom schiebt uns nicht mehr. Und so sind wir froh, dass wir unser Tagesziel, den großen Yachthafen von Niewpoort, noch im goldenen Abendsonnenschein erreichen.

Für den nächsten Morgen hat sich eine gute Freundin zum Besuch angekündigt. Sie findet in dem großen Hafen auch gleich den richtigen Steg und uns, denn „das Boot mit den vielen Leinen, das muss es sein“. Wir haben uns lange nicht gesehen, und so frühstücken wir ausgiebig und machen dann gemeinsam noch einen Spaziergang an den Strand. Wie schön, denken wir, dass unsere Freunde so an unserer Reise Anteil nehmen.

Auch den nächsten Tag, den 1.Mai verbringen wir noch in Niewpoort im Hafen, denn die Reparatur des Großfalls steht noch an. Wir haben uns im Internet über die Einzelheiten bei der Vorgehensweise schlau gemacht und eine dünne Sorgleine gekauft, an der das Fall wieder durch den Mast nach oben gezogen werden soll. Die Herausforderung dabei ist, dass diese Sorgleine vorher von oben durch die Umlenkung in den Mast eingeführt werden muss. Es muss also jemand mit der Sorgleine den Mast hoch gezogen werden, und da Karin nicht schwindelfei ist, fällt diese Aufgabe Marc zu. Für eventuelle Arbeiten im Mast haben wir uns extra ein gutes Klettergeschirr besorgt – dass wir es so bald brauchen würden, hätten wir jedoch nicht gedacht. Nachdem wir uns den Ablauf gut überlegt haben, wird Marc von Karin nach oben gewinscht. Und abgesehen davon, dass für das Einführen der Sorgleine noch ein Schraubenzieher als Hilfsmittel nach oben gezogen werden muss, klappt alles wie geplant. Trotzdem sind wir beide sehr froh, als Marc wieder unbeschadet auf dem Deck steht.

Das Ende der Sorgleine, das wir mit einer Reihe kleiner Muttern beschwert haben, nimmt im Mast den gewünschten Weg nach unten und lässt sich problemlos aus der für das Fall vorgesehenenen Öffnung am Mast holen. Auch das Einziehen des Falls ist problemlos. Das Fall ist auch noch weiter nutzbar, denn gerissen ist lediglich das am Ende eingespleißte Auge. Statt eines Augspleisses verwenden wir für die Verbindung des Falls zum Schäkel den „Never-Open-Again-Knoten“, der uns zum Symbol für diese gelungene Reparaturaktion wird.

Der Besuch von Nieuwpoort ist nach der wenig ansprechenden Sihouette von See aus eine positive Überraschung. Etwas im Landesinnern gelegen ist eine traditionelle Innenstadt, die über eine schöne Fahrrad- und Fußgängerpromenade entlang der Hafeneinfahrt mit der Ferienbebauung am Meer verbunden ist. Und auch diese Trabantenstadt am Stand ist trotz der Hochhäuser ansprechend.

Zurück im Hafen entdecken wir einen Seehund, der entspannt auf einer Slip-Bahn liegt. Damit hätten wir in diesem großen, geschäftigen Yachthafen nicht gerechnet.

Nach diesem schönen Aufenthalt in Nieuwpoort und repariertem Großfall wollen wir nun weiter Richtung Normandie.