Eine idyllische Abkürzung

Es ist der dritte Juli, als wir von Tarbert aus nach Ardrishaig am südlichen Ende des Crinan Kanal aufbrechen wollen. Vor dem Aufbruch ist allerdings noch zu klären, ob wir überhaupt durch den Kanal passen, denn nach dem extrem warmen und trockenen Juni hat der Crinan Kanal nur wenig Wasser und wurde für Boote ab zwei Meter Tiefgang vor einigen Wochen gesperrt. Wir haben einen Tiefgang von 1,90 m – allerdings in Salzwasser, der in Süßwasser ist etwas größer wegen der geringeren Dichte von Süßwasser. Es wird also knapp. Wir erkundigen uns deshalb zunächst telefonisch nach der aktuellen Situation. Schließlich bekommen wir die Auskunft von den Schleusenwärtern an beiden Enden des Kanals, dass mit unserem Tiefgang eine Durchfahrt möglich ist. Und so segeln wir am frühen Nachmittag von Tarbert nach Ardrishaig los.

Es ist noch sehr böig als wir aufbrechen, so dass wir die Segelfläche zweimal verkleinern, um sie an die Windverhältnisse anzupassen. Wir segeln am Wind und haben viel Schräglage, vor allem in Böen, als wir auf einmal ein unbekanntes rauschendes Geräusch aus dem Boot hören. Wir schauen sofort ins Bad und sehen die Bescherung: Wir haben die Seeventile auf gelassen, und durch die Schräglage ist Wasser über das Waschbecken ins Bad gelaufen und nun über den Waschtisch auf den Boden geschwappt. Wir stellen gleich die Ventile um, pumpen das Wasser wieder nach draußen und legen das Bad trocken. Da der Badezimmerboden ohnehin als Duschwanne fungiert, ist ausser nassem Klopapier kein Schaden entstanden. Dennoch ist das natürlich kein ungefährlicher Vorfall und uns eine Lehre, die Seeventile vor dem Lossegeln künftig konsequent zu schließen.

In Ardrishaig angekommen geht es auch gleich los mit der ersten Schleuse in den Kanal. Um wegen des niedrigen Wasserstandes unnötigen Wasserverlust zu vermeiden, werden so viele Boote wie möglich zusammen geschleust. Wir passieren daher am ersten Tag die Schleusen und Brücken zusammen mit dem Boot einer kanadischen Familie.

Der Crinan Canal verbindet die Firth of Clyde über den Nebenarm Loch Gilp mit dem Sound of Jura. Da wir weiter nach Norden wollen und Oban als nächstes größeres Etappenziel anvisiert haben, erspart uns der nur etwa neun Seemeilen (14 Kilometer) lange Weg durch den Crinan Canal nicht nur knapp 100 Seemeilen um die Kintyre Halbinsel ein, sondern auch die ruppige Umrundung des ausgesetzten Mull of Kintyre. 

Während der Passage kann man bis zu vier Nächte an einer der Anlagestellen im Kanal verbringen. Wir haben es nicht eilig und eigentlich nicht vor, an diesem Tag noch weit den Kanal entlang zu fahren.

 

Aber da das Schleusen zusammen so gut klappt, richten wir unsere Pläne nach unseren kanadischen Begleitern aus. Und so passieren wir bei zumindest zeitweise sonnigem Wetter zusammen den ersten Teil des kleinen Kanals. Er führt durch beschauliches Hinterland und ist ein idyllischer Kontrast zu der rauen Küste mit ihrer herben Schönheit. Wir passieren vier Schleusen und drei Brücken und legen schließlich abends in Cairnbaarn an einem Steg an.

Wir haben von einem Pub namens Lock 5 an dieser Stelle erfahren und stellen fest, dass dies das Pub des schon etwas heruntergekommenen Hotels in Cairnbaan ist. Wir haben eigentlich nur vor ein Bier zu trinken, aber als wir wieder zum Boot aufbrechen wollen, regnet es in Strömen. Um auf dem Weg zum Boot nicht klatschnass zu werden, verlegen wir unser Abendessen in die Kneipe und bestellen Fish and Chips. Selbst die Gruppe von Engländer, die mit uns in Pub sind, bezeichnet den Regen als „proper rain“, und als wir uns darüber amüsieren, kommen wir miteinander ins Gespräch. Wie sich heraustellt, sind sie im Rahmen Familientreffens ebensfalls mit dem Boot auf dem Crinan Canal unterwegs.

Es ist auch das Boot dieser Familie, mit dem wir am nächsten Tag die Schleusen zusammen passieren. Sie sind zu siebt an Bord und übernehmen daher meist auch die Arbeiten in den Schleusen, die von den Bootsbesatzungen selber durchgeführt werden: Leinen an Land annehmen, Schleusentore schließen und öffnen, Wehr öffnen und schließen. Wir sind froh über diese Unterstützung, denn zu zweit mit einem großen Boot wie der St‘ Raphael hat man schon mit Manövrieren und den Leinen an Bord alle Hände voll zu tun.

Nach Cairnbaan geht es vier direkt hintereinander liegenden Schleusen nach oben, dann wieder fünf nach unten. Und da wir zwischendurch noch Wartezeiten wegen Reparaturarbeiten an einer Schleuse und wegen der Passage entgegenkommender Boote haben, ist es nach dieser Schleusentreppe nach unten auch schon fünf Uhr abends und damit Ende des Kanalbetriebs. Wir legen daher direkt nach Schleuse 13 an, um dort zu übernachten.

Da das Wetter inzwischen sonnig ist, machen wir abends noch einen ausgedehnten Spaziergang zu einem Ort mit prähistorischen Steingravuren und bis zurück nach Cairnbaan.

Am nächten Tag passieren wir das letzte Stück des idyllischen Kanals, das abschnittsweise sehr eng, aber zum Glück immer noch tief genug für uns ist. Als wir in Crinan vor der Ausfahrt aus dem Kanal noch Wasser tanken, werden wir von einem anderen Mitglied von Trans-Ocean, der größten deutschsprachigen Blauwasservereinigung, angesprochen. Er hat den Vereinsstander an unserem Boot flattern sehen und kommt zu einem Plausch vorbei. Sie sind ebenfalls zu zweit auf dem Boot unterwegs in Schottland, und ebenso wie wir wollen sie im Herbst an die portugiesische Küste. Wir wollen gerade eine Tasse Tee zusammen trinken, da werden wir zum Schleusen gerufen – schade. Mal sehen, ob wir die zwei in diesem Jahr noch wiedersehen. 

Schließlich passieren wir am Nachmittag die letzte Schleuse in Crinan, die uns wieder ins Meerwasser bringt. Wir sind nun im Sound of Jura angekommen. Von hier aus geht es nun weiter in die Inselwelt der Inneren Hebriden.