Nachdem das Wetterfenster für unserere Biskaya-Überquerung so gut für uns gepasst hat, hängen wir nach unserer Ankunft in A Coruña am 12. Juni dort erst mal eine Weile fest. Der Wind ist für eine Weiterreise entweder zu stark oder zu schwach oder er kommt aus der falschen Richtung.
A Coruña ist eine lebendige Großstadt. Auf der Halbinsel im Nordosten grenzt sie in einem spannenden Kontrast direkt an die wilde Küste des Atlantiks, in der nach Nordwesten offenen Bucht liegt ein großer Stadtstrand, in der nach Südwesten gelegenen, geschützten inneren Bucht die Häfen. Direkt an unserem Hafen liegt die schöne Promenade mit den Galerie-Häusern. Wir erschließen uns die Stadt über mehrere Tage in ausführlichen Spaziergängen, genießen abends gerne noch ein paar Tapas im Kneipenviertel und nehmen den unerwartet langen Aufenthalt in der Stadt gelassen hin.
Im Hafen liegen wir direkt neben einem anderen deutschen Boot, unter dessen Saling ebenfalls der Stander von Trans-Ocean weht. Sie haben einen Tag vor uns die Biskaya überquert und im Prinzip die gleiche Route vor wie wir. Und noch ein drittes Boot aus dem Verein ist im Hafen. Es kommt gerade von den Azoren und hat damit die Atlantikrunde mit einer Saison in der Karibik gerade hinter sich. Wir kommen natürlich ins Gespräch, verbringen einen lustigen Abend zusammen in einer Tapas-Bar und bekommen eine Menge wertvoller praktischer Tips für die Weiterreise: Satellitenkommunikation mit Wettervorhersage, Einklarieren in der Karibik, Kakerlakenbefall an Bord, Boots- und Krankenversicherung im Ausland, Revierführer und Kartenmaterial, Mülllagerung auf der Atlantiküberquerung und noch einiges mehr. Wir nehmen alle Hinweise dankbar auf, haben dabei eine Menge Spaß zusammen und tauschen unsere Kontakdaten aus. Das Gefühl einer Community aus Langfahrtseglern haben wir so ausgeprägt wie im Hafen von A Coruña noch nie erlebt, und wir fühlen uns sehr wohl dabei.
Und noch eine schöne Bekanntschaft machen wir im Hafen: Am selben Steg wie wir liegt ein niederländisches Boot, das erstaunliche Ähnlichkeiten mit der St‘ Raphaël aufweist. Nach kurzem Plausch stellt sich heraus, dass es aus der selben Werft stammt und auf dem gleichen Konstruktionsprinzip basiert. Es hat ebenfalls einen Rumpf aus Corten-Stahl mit Decksaufbauten aus Aluminium, ein Mittelcockpit und viele andere Gemeinsamkeiten, ist jedoch etwa zehn Jahre älter und im Innenraum ganz anders aufgeteilt. Neugierig besichtigen wir die Schwesterschiffe gegenseitig und tauschen uns zu Reparaturen und Schwachstellen aus. Auch das sehr nette holländische Eignerpaar ist nun auf Langfahrt aufgebrochen. Sie wollen erst ins Mittelmeer, dann aber auch in Richtung Karibik. Wir sind gespannt, wann und wo wir sie mal wieder sehen werden.
Zusammen mit Florian unternehmen wir auch einen Ausflug nach Santiago de Compostella. Mit dem Bus dauert die Fahrt dorthin etwa eine Stunde und führt durch eine unerwartet grüne, bewaldete Landschaft. Santiago ist nach Rom und Jerusalem die drittbedeutendste Pilgerstätte des Christentums, auch wenn die von kirchlicher Seite verbreitete Story um die Gebeine des heiligen Jakobus für uns eher nach Marketing als nach historischer Wahrheit klingt. Trotzdem, die imposante Kathedrale mit dem ritualisierten Gang vorbei an der Reliquie und der Statue des heiligen Jakobus zieht auch uns in den Bann.
Und auch die Altstadt ist sehenswert und bietet trotz der Pilger- und Touristenströme noch urige Orte wie die Kaffeebar, in der wir bei Churros und dickflüssigem Kakao ein Päuschen einlegen.
Am Wochenende nach unsere Ankunft in A Coruña finden direkt am Hafen die spanischen Triathlon-Meisterschaften in der Sprintdistanz statt. Als wir von unserem Ausflug aus Santiago zurückkehren, ist der Bereich um den Hafen voller Menschen und Absperrungen. Auch wenn wir froh sind, dem größten Trubel des Events entkommen zu sein, haben wir abend noch viel Spaß dabei, uns laut anfeuernd die Wettkämpfe anzuschauen, und Florian entpuppt sich mit einiger Übung als echter Nebelhorn-Virtuose.
Am Ende unseres ungewollt langen Aufenthalts in A Coruña bekommen wir noch Besuch von Andrea, einer lieben Kollegin aus BASF-Zeiten, und ihrem Mann Pete. Die beiden haben ebenfalls in 2023 den Ausstieg gewagt und sich ein Wohnmobil gekauft, mit dem sie nun durch Europa reisen. Es ist eine glückliche Fügung, dass sich unsere Wege hier in Nordspanien nun wieder kreuzen und wir uns treffen können, denn ihren Lebensmittelpunkt haben die beiden inzwischen nach Neuseeland verlegt.
Wir besichtigen erst unser Boot, dann ihr Wohnmobil und reden viel über unsere Erfahrungen mit und nach dem Ausstieg aus dem teils erfüllenden, teils auslaugenden Berufsleben und natürlich unsere weiteren Pläne. Es ist schon erstaunlich: Wie wir vermissen die beiden in ihrem neuen Lebensabschnitt weder ihre schöne Wohnung, die nun verkauft werden soll, noch andere materiellen Dinge, von denen sie sich getrennt haben. Und wie wir haben auch sie das Gefühl, erst am Anfang ihrer Reise zu sein und im Modus des entspannten Treibenlassens unterwegs vor lauter Vorbereitungsaufwand und Organisatorischem noch nicht so recht angekommen zu sein. Es ist ein wunderbares Treffen, und nach einem langen Abend, der natürlich in einer Tapas-Bar endet, verabschieden wir uns herzlich. Wir wollen auf jeden Fall in Kontakt bleiben und sind gespannt, wann und wo uns das Schicksal wieder zusammenführt.
Nach einer Woche in A Coruña ist das Wetter dann endlich günstig, um weiter zu segeln. Wir freuen uns darauf, nun in die Rias von Nordpanien zu kommen und dort noch ein paar Tage zusammen mit Florian zu verbringen.