Nordwärts nach Irland – oder gleich nach Nordirland

Am 25. Juni machen wir uns von Milford Haven aus auf den Weg, um durch die Irische See nach Norden zu fahren. Als Etappenziel haben wir uns Dublin vorgenommen, eine Strecke von etwas über hundert Seemeilen. Dort wollen wir dann in Küstennähe und wieder mit Mobilfunkempfang die Wettervorhersage aktualisieren und entscheiden, ob wir dort bleiben oder noch ein Stück weiter nach Norden fahren.

Wir nehmen die erste Schleusung des Tages um kurz nach sieben Uhr aus dem Hafen. Als wir auf dem River Cleddau die letzten Kaianlagen für die Tanker hinter uns gelassen haben, setzen wir die Segel. Mit drei bis
vier Beauford weht ein schöner Segelwind. Dass wir gegen neun Uhr für kurze Zeit den Motor wieder starten, hat nur den Grund, dass wir etwas schneller voran kommen und die vor der Westspitze von Wales liegenden
Inseln bei möglichst geringen Gezeitenströmen passieren wollen, um Wellenturbulenzen zu vermeiden. Die felsigen Inseln Skokholm und Skomer, die wir in gebührendem Abstand passieren, sind von Seevögeln bevölkert. Wir halten Ausschau nach den hier vorkommenden Papageientauchern und entdecken dann auch viele der drolligen kleinen Vögel fliegend oder im Wasser schwimmend. Auch einen Delphin sehen wir in der Nähe. So abweisend diese von Wellen umtosten Felseninseln für uns auch sein mögen, für viele Tiere sind sie ein idealer Lebensraum.

Mit dem richtigen Timing klappt die Passage des ruppigen St. George’s Channel, der Engstelle zwischen Irland und Wales, problemlos. Und auch der Autopilot, für dessen Reparatur wir Milford Haven angelaufen haben (siehe Beitrag „Das dritte Crewmitglied“), funktioniert wieder einwandfrei. Am späten Nachmittag sind wir so weit gekommen, dass im Landschutz von Irland der Wind etwas abflaut und die See ruhiger wird. Da der Ostküste Irlands mehrere lange Sandbänke vorgelagert sind, halten wir uns über fünf Seemeilen entfernt von der Küste. Das Wetter ist eher trüb mit etwas Regen, dafür aber auch mit einem schönen Regenbogen am Abend. In der Abenddämmerung reffen wir das Großsegel, das heißt wir verkleinern seine Fläche, damit in der Nacht Segeln und Schlafen komfortabler sind. Die Segelfläche unseres Vorsegels durch Ein- oder Ausreffen auf den aktuellen Wind anzupassen, kann dann von einem von uns alleine gemacht werden, während der andere schläft.

Die Nacht über wechseln wir uns, wie schon auf der Nachtfahrt nach Milford Haven, in einem drei Stunden Rhythmus mit der Wache ab. Beim Wechsel um Mitternacht beschließen wir gemeinsam, nicht nach Dublin zu fahren, sondern den guten Segelwind zu nutzen und weiter nach Norden zu segeln. Als morgens die Sonne aufgeht – was für ein schöner Moment nach einer durchsegelten Nacht! – liegt die Dublin Bay bereits im Süden hinter uns.

Als neues Etappenziel hatten wir uns Ardglass vorgenommen, ein hübsches kleines Örtchen mit Marina an der Nordostküste von Irland. Allerdings benötigen wir noch Kartenmaterial und Revierführer für Schottland, und vermuten, dass wir die nicht in Ardglass bekommen können. Also fällt morgens um sechs die Entscheidung, noch weiter bis Nordirland zu fahren ins deutlich größere Bangor.

Mittags dreht der Wind auf südliche Richtung, so dass wir, statt mit halbem Wind zu segeln, nun vor dem Wind kreuzen. Da das Wasser mit den Gezeiten in die Irische See von Norden und Süden herein- und
herausströmt, liegt nördlich von Dublin ein Gebiet, in dem die Tidenströmungen nur wenig ausgeprägt sind. Nördlich von Ardglass, wo sich die Irische See zum North Channel verengt, ändert sich das jedoch,
so dass wir nun wieder in einen Bereich mit erheblicher Strömung kommen. Als der Wind nach dem Durchziehen einer Wetterfront bei der Untiefe South Rock plötzlich auf Ost dreht und stark abflaut, treibt uns die Strömung um ein Haar auf eine große Fahrwassertonne. Wir verhindern das nur, indem wir kurz vorher den Motor starten und mit Motorkraft von der Tonne wegfahren. Das war knapp! Und eine Warnung, die Strömungen im North Channel und an der schottischen Westküste nicht zu unterschätzen.

Abends fahren wir in die Bucht von Belfast ein und machen im Hafen von Bangor fest. Da wir nun schon an der Küste Nordirlands sind, haben wir die irische Gastlandflagge gar nicht gebraucht, und auch das Einklarieren in der EU fällt aus. Über 200 Seemeilen haben wir seit dem Ablegen in Milford Haven zurück gelegt und damit die Grenze unserer Segelerfahrung wieder ein Stück verschoben. Wir fühlen uns stolz,
glücklich und trotz der durchsegelten Nacht gar nicht übermäßig müde. Trotzdem freuen wir uns, am nächsten Tag richtig auszuschlafen, denn durch Wetter und Tide ist eine Weiterfahrt Richtung Schottland
frühestens am nächsten Nachmittag sinnvoll.