Eine Menge Muscheln

Es ist der 22. Juni und wir liegen in der wunderbaren Ankerbucht Punta Aguieira. Seit zwei Tagen sind wir in der Ría de Muros e Noia, und in den nächsten zwei Wochen steht die weitere Erkundung der nordspanischen Rias an, und zwar in aller Ruhe. Und daher bleiben wir einfach noch eine Nacht und lassen bei schönem Sonnenschein die Seele baumeln.

Dann geht es weiter, denn es ist Nordostwind angesagt, bei dem unsere Bucht keine Schutz bietet. Ausserdem eignet er sich gut, um bei angenehmem achterlichem Wind in die Ría de Arousa zu segeln. Es wird ein gemütlicher Segeltag bei drei bis vier Windstärken, der uns zunächst aus der Ría de Muros e Noia heraus und an der langen Bucht von Corrubedo mit den größten Wanderdünen Galiciens entlang führt.

Unterwegs stellen wir gerade noch rechtzeitig fest, dass die Passage nördlich der Illa de Sálvora zum Nationalpark Islas Atlánticas de Galicia gehört. Für die Befahrung der Gewässer dieses Nationalparks braucht man eine Genehmigung, die wir zwar beantragt, aber leider noch nicht bekommen haben. Das bedeutet für uns einen Umweg von über zwei Stunden: Um die Südspitze der Insel herum und von dort Kreuzen gegen den Wind bis zu unserem Etappenziel, der Bucht nordöstlich der Stadt Ribeira. Nicht schlimm, denn wir haben Zeit und das Wetter ist schön.

Am Ankerplatz abends ist dann endlich die Zeit für eine lang ersehnte Premiere gekommen: Es ist immer noch so warm, dass wir Lust auf ein kühles Bad vom Boot aus haben und zum ersten Mal selbst unsere Badeleiter nutzen – herrlich. Wir genießen den Abend vor Anker mit Blick auf den langen Badestrand von Ribeira, dankbar und demütig, und können unser Glück kaum fassen.

Am nächsten Abend gibt es ein Wiedersehen mit Jutta und Gregor, die in A Coruña neben uns am Steg lagen (siehe Hafentage in A Coruña) und ähnliche Pläne haben wie wir. Sie sind einen Tag später von dort aufgebrochen, und seitdem haben wir gegenseitig immer geschaut, wo das jeweils andere Boot gerade ist und uns über unsere Pläne auf dem laufenden gehalten. Sie sind nun zu uns in die Bucht bei Ribeira gekommen und wir haben uns für den Abend auf einen Sundowner verabredet. Es wird ein lustiger und langer Abend mit den beiden. Neben der schönen Unterhaltung tut es uns allen auch gut, sich über das neue Leben als Langfahrtsegler auszutauschen, über Ausrüstung und Instandhaltung zu beratschlagen und über Glücksmomente, aber auch Risiken und Ängste zu sprechen, die so eine Reise mit sich bringt.

Die Stadt Ribeira besuchen wir nur zum Einkaufen und fahren dafür mit dem Dinghy in den Sportboothafen. Und da wir schon mal da sind, fragen wir den Hafenmeister, ob er weiss, wer uns Kühlmittel für unseren Kühlschank nachfüllen könnte. Der hilfsbereite Hafenmeister arrangiert für den Nachmittag des selben Tages einen Termin, für den wir dann auch kurzzeitig in den Hafen kommen, und es klappt dann auch alles reibungslos.

Ribeira ist von der Fischerei geprägt und gibt touristisch nicht viel her. Man kann aber von hier aus eine schöne Wanderung zu einer archäologischen Ausgrabungsstätte machen. Auf unserer Tour ist es sommerlich heiß, und der Wald riecht nach den Eukalyptusbäumen, die es hier überall gibt. Belohnt werden wir mit einer tollen Aussicht auf die Atlantikküste, die große Bucht mit den Wanderdünen und die Ría de Arousa.

Wir bleiben insgesamt drei Tage in der Bucht bei Ribeira vor Anker liegen. Dann ist Starkwind angesagt, den wir doch lieber in einem geschützten Hafen abwettern wollen. Eigentlich möchten wir in den Hafen von Cabo Cruz, doch vor der Hafeneinfahrt bekommen wir per Funk die Information, der Hafen sei schon voll – was sich im Nachhinein als ziemlich seltsam herausstellt, denn Jutta und Gregor sind mit ihrem Boot direkt vor uns in den Hafen gefahren und haben später berichtet, es sei noch jede Menge Platz gewesen. Wir kommen statt dessen im nahe gelegenen Hafen von A Pobra do Caramiñal unter. Der Hafenmeister dort spricht kein Englisch, doch da er den Vereinsstander von Trans-Ocean an unserem Boot gesehen hat, zeigt er nach der ziemlich umständlichen Prozedur des Eincheckens in seinem winzigen und völlig zugestellten Büro voller Stolz seine Trans-Ocean-Mütze, einen großen Trans-Ocean-Wimpel und einen auf Englisch verfassten Brief des Vereins. Er ist offenbar Stützpunktleiter und trotz Verständnisschwierigkeiten sehr bemüht und hilfsbreit.

Im Waschsalon in der Nähe des Hafens werde ich von einer jungen, exotisch aussehenden Frau angesprochen. Sie ist ganz begeistert, als sie hört, dass ich aus Deutschland komme. Kurze Zeit später hält sie mir ihr Smartphone hin: Sie hat einen Bekannten aus Deutschland mit einem Videocall angreufen, einen älteren Herrn. Sie animiert uns nun zu einem Gespräch und wir plaudern etwas verlegen miteinander. Kurze Zeit später, als ich wieder mit meiner Wäsche beschäftigt bin, kommt ein Spanier in den Waschsalon, der offenbar ihr Freund ist. Auch er ist sehr kommunikativ, spricht ganz gut Englisch und zeigt mir auf Google Maps ein paar sehenswerte Ausflugsziele. Schließlich läd er mich zu einem Kaffee in eine Bar ein. Da er unbedingt mit uns im Auto dorthin fahren möchte, lehne ich dankend ab. Die zwei verabschieden sich mit ihrer frisch gewaschenen Wäsche schließlich freundschaftlich und händeschüttelnd von mir. Was für eine seltsame Begegnung. Immerhin habe ich einen vielversprechenden Tip für eine schöne Wanderung bekommen.

Zu dieser Tour, die zum Rio Pedras führt, breche ich am nächsten Morgen auf. Vom Hafen aus geht es durch die Altstadt, aus dem Ort heraus durch kleine Dörfchen, durch Eukalyptuswald und schließlich auf einen schönen Wanderweg, der an dem Flüsschen entlang nach oben führt. Unterhalb der Passhöhe wird das Gelände sehr steil und es gibt Wasserfälle über glatte Felshänge. Auf über fünfhundert Höhenmetern bietet sich ein toller Blick auf die Ría Arousa mit ihren Inseln und den Muschelbänken.

Als nach zwei Nächten im Hafen die Starkwindphase vorbei ist, segeln wir in die von Inseln und Halbinseln umschlossene Bucht vor Cambados und zu einem einsamen Ankerplatz östlich der Illa da Toxa. Es gibt hier einen großen, trockenfallenden Flachwasserbereich, und wir ankern erstmals im Tidenstrom, so dass sich die Strömungsrichtung alle sechs Stunden umkehrt. Wir warten das ersten Drehen des Tidenstroms ab, ehe wir abends schlafen gehen. Der Anker, der nun aus der entgegengesetzten Richtung belastet wird, gräbt sich offenbar problemlos wieder ein und hält weiterhin. Nach dieser Erfahrung sind wir beruhigt und besuchen am nächsten Tag mit dem Dinghy erst die Illa de Toxa, eine Ferieninsel für gut situierte Gäste, dann die Stadt Cambados.

Auf Toxa gib es in einem Park eine kuriose Kapelle, die aussen komplett mit Jakobsmuscheln verkleidet ist. Wir machen einen Spaziergang zu der Kapelle, den Ausstellungsräumen einer Seifenfabrik, deren Spezialität stark salzhaltige Seifen sind und durch ein Wäldchen mit Eselgehege und Hobbit-Kinderspielplatz.

Cambados hat einen ganz anderen Charakter. Es gilt als das Zentrum des lokalen Weinbaus und hat in der hübschen Altstadt einen Renaissancepalast und einladende Weinlokale. Unser Spaziergang durch Cambados führt uns auch zu einer antiken Turmruine auf einer Halbinsel. Es ist Ebbe, und das Abendlicht verleiht der Turmruine in den trockengefallenen Flächen eine ganz besondere Stimmung. Zurück auf dem Boot genießen wir den Sonnenuntergang an diesem wunderschönen Ankerplatz.

Am frühen Morgen schreckt uns der Ankeralarm aus dem Schlaf. Der Tidenstrom ist wieder gekippt und kommt nun aus der gleichen Richtung wie der kräftige Wind. In dieser Konstellation wurde der Anker nun offenbar doch ausgerissen. Da wir nicht sicher sind, ob der Anker sich wieder richtig eingegraben hat, bleiben wir wach und brechen nach dem ersten Kaffee auf nach Combarro in der Ría de Pontevedra.