Spaziergang über den Atlantik

Am Nachmittag des 5. Juli passieren wir die letzte Schleuse des Crinan-Kanals und haben damit den Sound of Jura und die Inselwelt der Inneren Hebriden erreicht. Wir überlegen, vor Crinan zu ankern, zumal dort noch weitere Segelboote von Mitgliedern bei Trans Ocean liegen, und mit denen hätten wir uns gerne noch ausgetauscht. Aber die Tide und damit die Strömungen sind perfekt für die geplante weitere Strecke und es ist schönes Segelwetter. Also segeln wir noch die Ostseite der Insel Luing entlang und dann in eine Ankerbucht zwischen den Inseln Luing, Seil und Torsa. 

Schon auf dem Weg sind wir fasziniert vom Zauber der Landschaft. Die Passage in die Bucht zwischen den drei Inseln ist aufgrund der Strömungen und Untiefen etwas knifflig, doch der Ankerplatz selbst ist ruhig und unglaublich idyllisch. In der Einfahrt zur Bucht tummeln sich die Seehunde, um uns herum sehen wir die bezaubernde Inselwelt, die sich durch das wechselhafte Wetter ständig in neuem Licht zeigt.

Wir genießen den wunderschönen Abend an Bord und sind überrascht, dass die Mobilfunkverbindung sogar für ein Videotelefonat mit einem Geburtstagskind in der Heimat stark genug ist – moderne Kommunikation in grandioser Naturlandschaft.

Unser Besuch in der Ankerbucht ist kurz. Wir verlassen die Bucht um halb sechs morgens, solange die Strömung im Cuan Sound noch nach Norden fließt und wir in Richtung Oban weiterkommen. Dort legen wir nach der kurzen Segeletappe noch am Morgen im Hafen an, um hier zwei Tage mit Starkwind und Regen abzuwarten.

Oban erscheint uns nach unserer bisherigen Reise durch Schottland als lebhafte Touristenstadt. Hier kommen viele an, die den Westen Schottlands und die Hebriden besuchen wollen, und von hier aus geht es dann auch mit Fähren und Ausflugsbooten weiter. Entsprechend quirlig geht es in der Stadt, am Bahnhof und am Hafen zu. Und natürlich ist auch Oban selbst einen Besuch wert. Nicht nur die typisch schottische alte Stadt mit der Whiskey-Distillerie und den vielen Souvenirläden, sondern auch der wunderbare Blick auf die Bucht und die Inseln von Oban von McCraig’s Castle aus, einem an das Colosseum erinnernden, seltsamen Monument über der Stadt.

Zu unserem Programm in Oban gehört ausserdem ein Besuch im alteingesessenen Pub am Hafen, wo sich eine bunte Mischung aus Touristen und Einheimischen trifft, und diverse Einkäufe, um unsere Vorräte aufzufüllen. Am Hafen liegen wir im Windschutz einer kleinen Flotte von traditionellen Mini-Kreuzfahrtbooten, die wie wir das schlechte Wetter abwarten, und erleben wir dann auch noch ein kleines Dudelsack-Konzert auf einem der benachbarten Segelboote.

Nach dem Durchzug des Schlechtwettergebietes legen wir aus Oban ab, denn schließlich wollen wir die Inselwelt der Inneren Hebriden erkunden. Am 8. Juli legen wir nachmittags ab und fahren in die Ankerbucht Puilladobhrain. Sie liegt nur etwa eineinhalb Stunden entfernt von Oban sehr geschützt durch zahlreiche vorgelagerte Felsen auf der Nordseite der Insel Seil. Die Zufahrt in die Ankerbucht ist eng und führt durch Felsen, auf denen Seehunde liegen.

Wir haben gerade den Anker geworfen, da machen wir eine unangenehme Entdeckung: Die Dieselpumpe funktioniert nicht. Mit ihr wird der Diesel vom Haupttank in den höher gelegenen Tagestank gepumpt. Von dort fließt der Diesel dann allein durch die Schwerkraft zum Motor. Durch diese Aufteilung in Haupt- und Tagestank soll das Risiko eines plötzlichen Motorausfalls durch Ausfall der Dieselzufuhr vermindert werden. Unser Motor ist zwar nicht unerwartet ausgefallen, aber der Tagestank ist praktisch leer. Wir können jedenfalls nicht davon ausgehen, dass der Diesel im Tagestank auch für die Ausfahrt aus der Ankerbucht noch reicht, und unter Segeln ist uns eine Passage durch die Felsen zu gefährlich. Wir müssen die Dieselpumpe also in dieser Ankerbucht wieder zum Laufen bringen, sonst haben wir ein ernsthaftes Problem.

Wir machen uns also sofort daran, das Problem zu finden – allerdings finden wir erstmal nicht einmal die Dieselpumpe. Erst ein Anruf beim wie immer sehr hilfsbereiten Vorbesitzer des Bootes hilft uns auf die Sprünge. Die kleine Magnetpumpe ist ziemlich versteckt und extrem schlecht zugänglich seitlich unter dem Motor angebracht. Und wir erfahren auch, dass eine Ersatzpumpe an Bord sein müsste – was für ein Glück! Wir räumen also erstmal einiges um und schrauben ein paar Bretter ab, um zumindest in die Nähe der eingebauten Pumpe zu kommen. Und wir suchen die diversen Stauräume mit Ersatzteilen nach der Ersatzpumpe ab und werden fündig. Wir prüfen auch noch, ob die Leitungen vom Haupttank zur Pumpe und von der Pumpe zum Tagestank frei sind und nicht etwa durch Dieselpest verstopft. Dieselpest ist das bei Seglern gefürchtete Wachstum von Mikroorganismen im Dieseltank, deren schleimige Masse beim Herauspumpen das gesamte System nachhaltig verstopft. Aber unsere Leitungen sind zum Glück frei, von Verstopfung keine Spur.

Wir sind also guter Dinge, als wir uns an den Tausch der Pumpe machen. Allerdings stellt sich heraus, dass die unter ziemlichen Verrenkungen eingebaute Ersatzpumpe auch nicht läuft, als wir sie starten. Das macht uns erstmal ratlos, und die Suche nach dem eigentlichen Problem geht damit erst richtig los. Als die ursprünglich eingebaute und nun mühsam ausgebaute Pumpe sich durch elektrisches Anschließen direkt an die Batteriepole wieder zum Leben erwecken lässt, dämmert es uns, dass wir eigentlich ein elektrisches Problem haben. Wir messen und probieren etliches aus, während wir in den Eingeweiden unseres Bootes herumkriechen und draußen bereits seit eineinhalb Tagen wunderbares Wetter in einer traumhaft schönen Ankerbucht herrscht.

Schließlich schaffen wir es durch eine Erneuerung des Pluspol-Anschlusses der Pumpe und ein (ohnehin sinnvolles) Verlegen des Minuspols vom Rumpf auf die Sammelschiene der Batterie die Pumpe wieder in Funktion zu setzen. Erleichtert füllen wir den Tagestank. Wir sind einerseits froh und auch stolz, wieder eine erfolgreiche Reparatur geschafft zu haben, andererseits aber frustriert, weil wir natürlich viel lieber das schöne Wetter seit unserem Anlegen in der Bucht genossen hätten und für den nächsten Tag wieder eine Verschlechterung vorhergesagt ist.

Um wenigstens den Rest des schönen Tages zu nutzen, machen wir am frühen Abend einen Landgang und laufen zur Bridge over the Atlantic. Diese Brücke trennt die Insel Seil vom Festland ab, es ist also unter und auf beiden Seiten der Insel Atlantikwasser.

Und so überqueren wir auf unserem Abendspaziergang den Atlantik, freuen uns am Humor der Schotten und genießen die wunderbare Abendstimmung an der Brücke und auf dem Weg zurück zur Bucht. Es scheint fast, als wolle uns der Abend für die Plackerei unter Deck entschädigen. Wir genießen ihn in vollen Zügen und kommen erst kurz vor Sonnenuntergang zum Boot zurück. Und während des spektakulären Sonnenuntergangs taucht direkt neben dem Boot ein Seehund auf und schaut sich neugierig um – was für ein Tag!