Städtekontrast in der Irischen See

Am 17. Juli heißt es Abschied nehmen von Schottland. In spätestens zwei Wochen wollen wir in der Bretagne sein und auf dem Weg ausreichend Zeit haben, um passende Wetterfenster für die Etappen abwarten zu können. 

Von Port Ellen auf der Isle of Islay machen wir uns morgens um fünf Uhr auf den Weg nach Nordirland. Die Abfahrtszeit ist so gewählt, dass wir die Strömung im North Channel, der nördlichen Einfahrt in die Irische See, möglichst lange mit uns haben. Die Überfahrt zu unserem ersten Ziel Brown’s Bay ist etwa 50 Seemeilen lang, so dass man zusätzlich zu passendem Wind auch den Extra-Schub der Strömung braucht, um nicht durch unangenehmem Gegenstrom gebremst zu werden. Mit unseren Überlegungen zur Routenplanung sind wir offenbar nicht alleine, denn noch drei andere Boote verlassen die kleine Marina praktisch zeitgleich mit uns. Das Wetter ist trüb, aber wenigstens regnet es nicht, und der Wind weht für die Überfahrt perfekt mit vier Beaufort aus Westen. Die Taktik geht auf: Uns schiebt eine kräftige Strömung, so dass unsere Geschwindigkeit über Grund zeitweise bei über zehn Knoten liegt!

Am Vormittag sieht Marc im Wasser einen großen dunklen Walrücken mit Rückenflosse, der kurz danach wieder abtaucht und aus der Sicht verschwindet. Ein Wal, vermutlich ein Minkwal – welch eine Freude! So ein Tier in freier Wildbahn zu sehen ist ein wunderbares Naturerlebnis, auch wenn aus dem südlicheren Europa über beängstigende Angriffe von Orcas auf Yachten berichtet wird.

Gegen Mittag haben wir die Brown’s Bay, unser erstes Ziel in Nordirland, erreicht. Hier haben wir schon auf dem Weg nach Schottland eine Nacht übernachtet und wissen, dass die Bucht vor den grünen Hügeln Nordirlands ein schöner und geschützter Platz ist. Eine Weiterfahrt nach Süden ist aufgrund der Strömung nun nicht mehr sinnvoll, und so werfen wir den Anker, machen es uns an Bord gemütlich und warten bis zum Abend ab. Abends, mit der nächsten passenden Tide, fahren wir dann noch zwei Stunden weiter bis zu einem Ankerplatz in der Bucht von Belfast, etwas westlich von Bangor.

Für den nächsten Tag ist nicht nur jede Menge Regen vorhergesagt, sondern auch unpassender Wind für unsere Weiterfahrt. Wir beschließen daher, am nächsten Morgen das kurze Stück in die Bangor Marina zu fahren und den Tag für einen Besuch von Belfast zu nutzen. Wir fahren mit dem Zug in die Stadtmitte und machen uns von dort zu Fuß auf den Weg. Wir besuchen die Town Hall und die Ausstellung dort über die „troubles“, also die zeitweise bürgerkriegsähnlichen Ausschreitungen im Zuge des Nordirlandkonflikts, die hier im geschichtlichen Verlauf erläutert werden.

Aber auch sonst hat Belfast eine wechselvolle Geschichte. Die Stadt war lange Zeit ein bedeutender Industriestandort, erst durch die Leinenherstellung, dann durch den Schiffsbau. Im größten Trockendock der Welt wurde die Titanic gebaut. Im zweiten Weltkrieg wurde die Stadt durch Bombardierungen stark beschädigt. Später setzte mit dem Niedergang des Schiffbaus ein massiver Strukturwandel ein. Erst seit der Beilegung des Nordirlandkonflikts im Karfreitagsabkommen vor etwa 25 Jahren hat wieder ein Aufschwung eingesetzt, von dem man beim Besuch der Stadt den lebendigen und modernen Flair wahrnimmt. Und wie geht es jetzt weiter? Wir hoffen jedenfalls für Belfast, dass der Brexit keine neue Krise mit sich bringt.

Zu den Neuerungen im Stadtbild gehört auch das Titanic-Museum, das den Besuchern Bau und Untergang des riesigen Schiffes als Museumsevent zeigt und ein touristisches Highlight der Stadt ist. Und natürlich besuchen auch wir das Titanic-Museum, zumal der Dauerregen keine Lust auf längere Fußwege in der Stadt macht.

Abends gehen wir in Belfasts ältestem Pub noch etwas trinken und anschließend überteuerte Fish ’n Chips essen, bevor wir mit der Bahn zurück nach Bangor fahren.

Am nächsten Morgen geht es wieder früh los. Diesmal ist es halb sechs Uhr morgens, als wir ablegen und uns auf den Weg zur Isle of Man machen. Das Wetter klart morgens zu einem angenehmen Sonne-Wolken-Mix auf, und der Wind weht passend aus Nordwest. Er ist nur leider schwächer als vorhergesagt, so dass wir den größten Teil der Überfahrt zur Isle of Man unter Motor zurücklegen müssen, um noch rechtzeitig für die tidenabhängige Einfahrt in den inneren Hafen zu kommen. Am frühen Nachmittag kommen wir im Hafen von Peel an und machen uns kurz danach auf eine Erkundungstour. 

Nach den Eindrücken des gestrigen Stadtbesuchs in Belfast wirkt das Inselstädtchen geradezu niedlich. Und während Belfast wechselvolle Vergangenheit immer wieder mit großen historischen Ereignissen verknüpft ist, scheint Peel eher aus der Zeit gefallen zu sein. Auch für unseren Mobilfunkanbieter scheint die Isle of Man etwas außerhalb des Horizonts zu liegen: Wir werden per SMS auf Jersey willkommen geheißen. Immerhin haben beide gemeinsam, dass sie direkt der britischen Krone unterstellt sind. Wir drehen zu Fuß eine ausführliche Runde durch den hübschen Ort, entlang der davor liegenden Bucht mit dem langen Strand, um die Burg und herum und natürlich durch den Hafen.

Wir genießen das schöne Wetter und freuen uns über diesen Abstecher zur Isle of Man, der sich durch die Windvorhersage für die nächsten Tage angeboten hat. Am nächsten Tag soll es mit einem langen Schlag nach Wales weitergehen.