Über die Biskaya

Am 8. Juni kommt unser Freund Florian abends in Port Haliguen angereist. Er will zwei Wochen mit uns zusammen segeln und dabei die Fahrt über die Biskaya miterleben. Für diese Überfahrt gibt es auch gleich ein passendes Wetterfenster, so dass wir schon am nächsten Tag Richtung Nordspanien lossegeln wollen.Von uns aus ist alles bereit: Boot und Ausrüstung sind klar, die nötigen Einkäufe sind gemacht, alle Vorräte sind aufgefüllt.

Beim Check der Wettervorhersage direkt vor unserer Abfahrt kommen wir dann aber doch ins Nachdenken: Am Abend würden wir ein Windfeld mit Böen bis Windstärke 7 passieren – ein heftiger Start in die erste Nacht. Zusammen mit der Überlegung, dass wir aufgrund der Sicherheitseinweisung erst am späten Vormittag loskommen und daher unseren Zielhafen A Coruña erst im Dunkeln erreichen werden, planen wir doch noch einmal um. Auch bei einem Start am nächsten Morgen sieht das Wetter für die Überfahrt noch sehr gut aus, und so beschließen wir, den schönen Tag für einen Besuch der Insel Hoëdic zu nutzen und über Nacht dort vor Anker zu bleiben. 

Es wir ein schöner Segeltag mit einem stimmungsvollen abendlichen Rundgang über die kleine Insel, auf der es jetzt in der Vorsaison noch sehr beschaulich zugeht.

Am nächsten Morgen lichten wir dann noch vor sieben Uhr morgens den Anker und machen uns auf den Weg nach Nordspanien. Vor uns liegen etwa 350 Seemeilen, die wir bis zum Abend des übernächsten Tages zurückgelegt haben wollen. 

Florian ist ein erfahrener Segler und hat auch schon Nachfahrten gemacht, doch mit dem Boot ist er noch nicht vertraut. Daher plant Marc das Wachsystem so, dass einer von uns dreien Wache hat, einer auf Standby bereit ist, um zu helfen, und der dritte sich zurückziehen und schlafen kann. Alle drei Stunden werden die Rollen dann durchgewechselt. 

Der erste Tag ist überwiegend grau. Wir segeln unter Vollzeug bei halbem Wind und kommen gut voran. Nachmittags frischt der Wind auf vier bis fünf Beaufort auf, so dass wir das Großsegel reffen und von der Genua auf den Klüver wechseln.

Das Boot ist in seinem Element, lässt sich auch bei der ruppigen See gut segeln und pflügt unbeirrt durch die Wellen. Die kommen von der Seite und werden zunehmend unangenehmer. 

Bei diesen Bedingungen macht mir ein überwunden geglaubtes Übel wieder zu schaffen: Seekrankheit. Alle Übungen zur Entspannung und zur Anpassung des Körpers an den schaukenden Untergrund reichen nun nicht mehr aus. Ich übergebe mich über die Reling, was kurzzeitig Linderung bringt, kämpfe dann jedoch wieder mit Übelkeit. Schließlich ziehe ich mich in die Koje zurück und hoffe, dass es mit geschlossenen Augen besser wird und ich schlafen kann. Doch auch das hilft nicht. Es geht mir schlecht. Im Laufe der Nacht übergebe ich mich mehrfach, fühle mich elend, bin zu nichts fähig und will einfach nur, dass es aufhört. Marc versorgt mich bei Bedarf mit frischen Tüten, Wasser, Papiertüchern und Medikamenten und wechselt sich während der Nacht mit Florian bei der Wache ab.

Der nächste Tag ist sonnig und bietet mit drei bis vier Windstärken auf Raumschotskurs beste Bedingungen. Auch die See ist ruhiger geworden, mit gleichmäßigeren Wellen schräg von hinten. Im Laufe des Vormittags fühle ich mich bereit für den Versuch, aufzustehen und langsam meinen Kreislauf wieder in Gang zu bringen. Ich trinke vorsichtig etwas, mümmel langsam einen Keks, stelle fest, dass das ganz gut geht, und erhole mich allmählich.

Die Segel sind inzwischen ausgerefft und für eine Biskaya-Überquerung ist dies ein traumhaft schöner Segeltag. Am Nachmittag ist meine Seekrankheit überwunden, so dass wir abends zum ursprünglich vorgesehenen Wachplan übergehen und so die Nacht über abwechseln.

Am Morgen des dritten Tages kann man in der Ferne die Küste Spaniens sehen. Was für ein erhebendes Gefühl! Auch dieser Tag ist sonnig. Gegen Mittag begleitet uns eine Gruppe Delphine. Florian nutzt die Gelegenheit und macht davon tolle Aufnahmen mit seiner 360° Kamera.

Der Wind frischt im Laufe des Tages wieder auf, und vor der Bucht von A Coruña weht er dann zum Abschluss nochmal kräftig mit fünf bis sechs Windstärken. 

Als wir abend die Segel bergen und in den geschützten Hafen nahe der Innenstadt einlaufen, sind wir alle stolz und glücklich. Geschafft! Nach 62 Stunden ist die Biskaya-Überquerung erfolgreich gemeistert und wir feiern den Abend in A Coruña in einer Tapas-Bar.