Vielfältiges Madeira

Am ersten September lichten wir in Porto Santo unseren Anker und segeln nach Madeira. Die Überfahrt ist etwa 30 Seemeilen lang und beginnt mit wenig Wind. Wir segeln vor dem Wind und haben die Genua ausgebaumt, doch die Segeln schlagen von der Bewegung in den Wellen. Ich habe, nachdem wir ausreichend Abstand zum Naturschutzgebiet um Porto Santo haben, die Angelschnur ausgeworfen, doch es beißt nichts an. Allmählich nimmt der Wind etwas zu und wir kommen gut voran. Madeira begrüßt uns mit einem Blick auf die schroffen Felsformationen an der Ostspitze der Insel.

Uns ist bewusst, dass der Wind zunehmen wird, wenn wir die Spitze der Insel passieren, und sind doch überrascht über die Ausprägung des Kapeffekts. Der Wind legt eine ganz Windstärke zu und dreht, so dass wir mit Kurs auf die Marina Quinta do Lorde plötzlich hart am Wind segeln und die Genua reffen.

Die Marina liegt direkt unter einer Steilwand aus Vulkangestein, in der sich ein senkrechter Lavaschlot deutlich vom umliegenden bröckeligen Gestein abhebt. Nach der entspannten Strandatmosphäre auf Porto Santo präsentiert sich uns Madeira dramatisch als Vulkaninsel. Ansonsten ist die Marina beschaulich an einem durchaus stilvollen Ferienresort gelegen, das jedoch seit fünf Jahren komplett leer steht, erst wegen Finanzproblemen, dann aufgrund von Corona. Nun wird eifrig an der für den ersten Oktober geplanten Wiedereröffnung gearbeitet.

Die ersten Tage weht ein kräftiger Wind durch den Hafen. Auf einer kleinen Wanderung an die spektakuläre Felsküste am Ostzipfel Madeiras kann mich an ausgesetzen Stellen bei den heftigen Windböen kaum auf den Beinen halten. Daher verschieben wir die gemeinsame Wanderung zum östlichen Zipfel Madeiras auf später und beschäftigen uns auf dem Boot, vor allem mit der Suche nach neuen Solarmodulen, um unsere Energieversorgung auszubauen.

Direkt bei der Marina fährt ein Linienbus in die nahe gelegenen Orte Caniçal, Machico und sogar bis Funchal. Busfahren klappt auf Madeira gut, zumindest wenn man es schafft, die richtige Buslinie ausfindig zu machen, denn es gibt verschiedene Busgesellschaften und keinen brauchbaren Liniennetzplan. Und damit der Bus auch anhält, muss man an der Haltestelle durch Handheben klar machen, dass man mitfahren möchte. Irritierend scheint es dagegen für den Fahrer zu sein, wenn jemand an einer markierten Haltestelle steht und nicht die Hand hebt, wenn der Bus kommt. Dann kann es sein, dass er weiter fährt. Nicht alle Haltestellen sind durch Schilder markiert, doch die Einheimischen wissen, wo der Bus hält. Wir nutzen den Bus für einen Besuch und Einkauf in Machico und für eine schöne Wanderung von Portela aus durch Lorbeer- und Farnwald nach Maroços.

Neben dem Thema Stromversorgung beschäftigt uns die Frage, von wo aus – Madeira oder Kanarische Inseln – wir Ende September wieder nach Deutschland fliegen und wo wir das Boot in der Zwischenzeit lassen. Auf den Kanaren scheint es schwierig, jetzt in der Hochsaison einen Liegeplatz zu finden, doch auch in unserer derzeitigen Marina Quinta do Lorde auf Madeira stehen wir lediglich auf der Warteliste für einen Platz. So hängen wir bezüglich unserer weiteren Reisepläne ziemlich in der Luft, verlängern unseren Aufenthalt in der Marina um eine Woche und buchen uns einen Mietwagen.

Nun erkunden wir ausführlich die ganze Insel und unternehmen einige wunderschöne Wanderungen. Es geht durch urwüchsigen Lorbeerwald in tiefen Schluchten bei Rabacal, auf die nebelverhandenen Höhen der Nordseite mit ihrem üppigem Regenwald, zu den mystischen Bäumen des Fanal, zum spektakulären Gipfelgrat des Pico do Arieiro und immer wieder entlang der typischen Levadas, den traditionellen Bewässerungskanälen der Insel.

Die Landschaft Madeiras ist einmalig. Vom Meer aus geht es unglaublich steil nach oben, so dass die Straßen oft in Sepentinen am Steilhang entlang führen oder über hohe Brücken. So bieten sich immer wieder spektakuläre Ausblicke, was bei mir beim Autofahren sogar zu Höhenangst führt. Besonders dramatisch ist es auf der Südwestseite Madeiras bei Archadas da Cruz, wo sich nach einem schmalen Landstreifen am Meer die Steilküste fast 500 Meter hoch erhebt.

Nach der zweiten Woche auf Madeira haben wir nicht nur von der Marina Quinta do Lorde eine Zusage für einen Liegeplatz im Oktober, sondern auch von zwei Marinas bei Santa Cruz auf Teneriffa. Wir entscheiden uns aufgrund der günstigeren Flüge für Teneriffa. Doch Madeira gefällt uns gut und wir haben noch Zeit bis zur Überfahrt zu den Kanarischen Inseln. Und so verlängern wir unseren Aufenthalt um eine weitere Woche. 

Neben der tollen Landschaft genießen wir auch das Wetter sehr. Es ist immer angenehm warm, auch wenn es mal bewölkt ist und hin und vereinzelt sogar ein paar Regentropfen fallen. Wir tragen tagsüber nur noch kurze Hosen und T-Shirts, laufen auf dem Boot die ganze Zeit barfuß und im Hafen in Flipflops oder Sandalen. Inzwischen sind unsere Füße so braun, dass die Zehennägel hell erscheinen. Socken und feste Schuhe anzuziehen fühlt sich inzwischen richtig seltsam an. 

Die entspannten Tage im Hafen nutzen wir auch, um ein paar Erledigungen am Boot zu machen. Unter anderem packe ich erstmals an Bord die Nähmaschine aus und erneuere einige aufgegangene Nähte an unserer Sprayhood.

Im Hafen gibt es noch einige andere deutsche Boote. Zwei davon kennen wir schon aus Porto Santo, außerdem knüpfen wir Kontakt zu unsere Stegnachbarn. So kommt es, dass wir mehrere schöne Abende bei Wein oder Poncha zusammen mit anderen Langfahrtseglern im Cockpit mal des einen, mal des anderen Bootes verbringen.

Eines Abends hören wir Musik einer Party auf dem Kai vor dem Hafenbüro. Neugierig machen wir unseren Abendspaziergang dorthin, um mal zu schauen, was los ist. Es ist eine Feier, um das Team von Hafen und Resort auf die bevorstehende Neueröffnung einzustimmen. Und es dauert nicht lange, da werden auch wir zu Bier, Wein und Essen eingeladen. Bei Thunfisch und Ananasscheiben vom Grill lernen wir den Rezeptionisten aus Aruba kennen, außerdem ein nettes holländisches Paar, das auch mit 70 Jahren noch mit dem Segelboot unterwegs ist, und stellen fest, dass die Portugiesen uns steifen Deutschen beim ausgelassenen Feiern und Tanzen um Längen voraus sind.

Gegen Ende unseres Aufenthalts auf Madeira steht ein Besuch der Hauptstadt Funchal an. Wir fahren mit dem Bus dorthin, denn die Marina Funchal ist ziemlich überfüllt und hat trotz mehrere Anfragen für einen Liegeplatz per Buchungsportal, Email und Telefon leider keine Antwort gegeben.

In Funchal besuchen wir zuerst den interessanten, aber ziemlich touristischen Markt.

Neben allerlei exotischen Früchten entdecken wir hier auch die berühmten Tiefseefische, für die Madeira bekannt ist.

Entlang der Hafenpromenade geht es dann zu den Statuen der Helden von Madeira, Christoph Kolumbus und Christiano Ronaldo. Wir schlendern durch zwei Parks in die Innenstadt, trinken bei der Kathedrale einen Kaffee und essen unsere vorerst letzten Pastel de Nata. Funchal ist eine schöne, lebendige Inselhauptstadt mit üppigen Parks.

Durch das Altstadtviertel, das bekannt für seine bemalten Türen und inzwischen fest in der Hand der Touristen ist, laufen wir zur Seilbahnstation.

Mit der Seilbahn fahren wir zum höher gelegenen Stadtviertel Monte und verbringen den Nachmittag im Jardim Monte Palace, der als einer der schönsten botanischen Gärten der Welt gilt. Doch trotz einiger sehenswerter Stellen, etwa den tausendjährigen Olivenbäumen, kommt hier bei uns keine echte Begeisterung auf. Es mag an dem inzwischen etwas trüben Wetter liegen, der blütenarmen Jahreszeit oder an zu hohen Erwartungen nach Besuchen anderer botanischer Gärten (siehe Beitrag Traumhafte Isles of Scilly) liegen, jedenfalls erscheint uns dieser etwas überschätzt. Trotzdem genießen wir den Rundgang und die Aussicht auf Funchal.

Insgesamt verbringen wir drei herrliche Wochen auf Madeira, viel länger als gedacht. Nun soll es mit einem Abstecher auf die Ilhas Selvagens weitergehen nach Teneriffa.