Am 16. Februar lichten wir endlich den Anker. Wir haben auf den Hauptinseln von Guadeloupe eine Starkwindphase abgewartet, doch nun wird es Zeit für den Weg nach Martinique. In einer Woche kommt dort lieber Besuch an Bord, und wir wollen auf dem Weg Zwischenstopp auf zwei anderen Inseln machen. Heute wollen wir nach Marie-Galante, einer Insel, die noch zu Guadeloupe gehört und für ihre Strände und die Rumdestillerien bekannt ist.
Es weht immer noch kräftig, und wir müssen hoch am Wind segeln. Das ist für uns ungewohnt, denn unsere Reiseroute orientiert sich an den vorherrschenden Windrichtungen, so dass das unbequeme Segeln gegenan vermieden wird. Aber heute und die nächsten Tage muss es eben sein. Wir setzten vorsichtig zuerst nur wenig Segelfläche, merken jedoch bald, dass uns dann die Wellen zu stark bremsen und reffen weiter aus. So geht es mit ordentlich Schräglage einigermaßen zügig die kurze Tagesetappe nach Marie-Galante.

Am frühen Abend werfen wir vor dem langen Sandstrand an der Anse La Frais den Anker. Dabei tut die Mechanik der Ankerwinsch nicht, was sie soll, so dass von dem kräftigen Motor eine Schraube abgeschert wird. So ein Mist! Schon lange hat uns die Ankerwinsch geärgert und nicht wirklich korrekt funktioniert, aber ein Schaden ist dabei bisher nicht aufgetreten. Immerhin bekommen wir am nächsten Morgen das untere Ende der Schraube herausgedreht, doch eine passende Ersatzschraube haben wir nicht an Bord. Beim Vermessen stellen wir fest, dass es eine Zollschraube ist – auch das noch! Auf Martinique bekommt man mit Sicherheit A4-Edelstahlschrauben für das Boot, aber mit Zollgewinde ist das eher unwahrscheinlich. Wir bestellen die Schraube daher gleich im Internet an die Adresse unserer Besucher, damit die sie uns mitbringen.
Auch unseren Reiseplan bis Martinique müssen wir auf die neue Situation anpassen. Wir gehen davon aus, dass wir den Anker wieder einholen können, doch ein erneutes Auslegen des Ankers möchten wir so nicht riskieren. Wir beschließen daher, zwei Tage auf Marie-Galante zu bleiben und uns wenigstens diese Insel noch richtig anzuschauen. Auf Dominica und im Norden von Martinique werden wir dagegen nur Zwischenstopps an einer Boje machen und so ohne weiteres Ankern in die Marina von Le Marin kommen.
Nachdem wir die Ankerwinsch zum Aufholen vorbereitet und für die nächsten Tage alles organisiert haben, können wir endlich den wunderbaren Ort genießen, an dem wir nun sind: Ein langer, traumhaft schöner, wenig besuchter Sandstrand und herrlich klares Wasser.

Wir fahren mit dem Dinghy an Land und schauen uns ein wenig um. Hinter dem Strand liegt ein urwüchsiger Waldstreifen. Der Weg zu Fuß in den nächsten Ort Saint-Louis ist nicht attraktiv, denn er führt an einer vielbefahrenen Straße entlang, und auch per Anhalter haben wir kein Glück. Der Versuch, mit dem Dinghy in das Örtchen fahren, scheitert an den doch erstaunlich hohen Wellen auf dem ungeschützten Teil der Strecke dorthin. Also fahren wir zum Boot zurück und vergnügen uns den Rest des Tages im herrlich einladenden Wasser mit Baden und Schnorcheln.

Am nächsten Tag fahren wir mit dem Dinghy nach Grand-Bourg, dem Hauptort der Insel. Auch auf dieser Fahrt werden wir ziemlich nass und müssen einige Stellen umfahren, an denen sich an Riffen die Wellen auftürmen und brechen, doch schließlich haben wir es geschafft.
Wir haben in Grand-Bourg für einen Tag ein Auto gemietet. Bevor wir damit losfahren, schauen wir uns noch das verschlafene Örtchen an, in dem nur bei Ankunft der Fähre geschäftiges Treiben herrscht, essen ein Croissant und wollen uns die Ausklarierungs-Bestätigung abstempeln lassen. Beim Zollamt wird mir jedoch erklärt, dass der Stempel nicht mehr nötig sei, da die elektronische Bestätigung auch zum Einklarieren auf Dominica ausreiche. Offenbar scheint man sich innerhalb von Guadeloupe über das korrekte Vorgehen noch nicht ganz im Klaren zu sein, denn zum Einklarieren war angeblich der abgestempelte Ausdruck erforderlich (siehe Mühsame Pfade im Dschungel).

Mit dem Auto fahren wir über die Insel, in einer großen Acht einmal von Süd nach Nord und wieder zurück. Die Insel ist nicht besonders hoch, so dass der Regen nicht so üppig fällt. Die Landwirtschaft ist vor allem durch den Anbau von Zuckerrohr geprägt, dessen Saft die Basis der Rumproduktion bildet. Es gibt nicht die eine Hauptattraktion, dafür besuchen wir einige der kleine Sehenswürdigkeiten: Im Norden ein Loch in der felsigen Küste, einen kleinen von Mangroven gesäumten Fluss, die Überreste einer Windmühle zum Pressen von Zuckerrohr, ein halbverfallenes Anwesen aus der Zeit der riesigen Plantagen. Die Ortschaften geben nicht viel her und sind bestenfalls für die Touristen ein wenig herausgeputzt. Dafür sind die Strände der Insel ein Traum: Weiß, lang, palmengesäumt, mit türkisem Wasser und alles andere als überlaufen.


















Wir lassen uns treiben, trinken gemütlich einen Kaffee am Strand und genießen die ruhige Stimmung der Insel. Auf dem Weg zurück nach Grand-Bourg nehmen wir zwei ältere Damen mit, die uns auf dem Parkplatz der alten Plantage nach einer Mitfahrgelegenheit fragen. Sie sind aus Kanada und ebenfalls mit dem Boot unterwegs, einem Katamaran. Sie sind voller Bewunderung über unsere Atlantiküberquerung zu zweit, während wir voller Hochachtung darüber sind, dass sie in ihrem Alter noch so aktiv unterwegs sind.
Am nächsten Morgen lichten wir, um bei möglichst günstigem Wind zu segeln, noch vor Sonnenaufgang den Anker und machen uns auf den Weg nach Dominica. Die Nordspitze der Insel ist schon zu sehen, und wir halten mit Kurs am Wind direkt darauf zu.

Dominica besteht aus hohen Bergen vulkanischen Ursprungs und ist sehr regenreich. Schon von Weitem sehen wir, wie Regenwolken über die dunkelgrüne Silhouette der Insel ziehen.

Als wir am späten Vormittag an unserem Tagesziel, der großen Prince Rupert Bay ankommen, werden wir schon weit außerhalb der Bucht von einem Mann in einem Holzboot angesprochen, der sich als Alexis vorstellt und einen Bojenliegeplatz anbietet. Er zeigt uns dann in der Bucht den Platz, hilft beim Festmachen der Leinen und nimmt Marc in seinem Boot mit an Land zum Einklarieren.
Da wir müde sind und immer wieder starke Regenschauer über die Bucht ziehen, verbringen wir nach dem Einklarieren den Rest des Tages an Bord. Um die Naturschönheit der Insel auf einer Tour zu erkunden, fehlt uns jetzt ohnehin die Zeit. Wenn Wind und Reiseverlauf es erlauben, wollen wir nach dem Besuch von Martinique noch einmal nach Dominica zurückkommen.

Im Laufe des Tage kommen immer wieder Männer in Holzbooten zu uns gefahren, um Ausflugstouren oder Obst zu verkaufen. Wir nehmen ein Bündel Bananen, bekommen eine kleine unreife Papaya als Dreingabe und müssen die Tourenanbieter leider vertrösten.

Am nächsten Morgen legen wir schon um fünf Uhr früh ab, um in der Durchfahrt zwischen Dominica und Martinique nicht zu starken Wind zu haben und es frühzeitig ins Bojenfeld von Saint-Pierre auf Martinique zu schaffen. Es ist noch dunkel, als wir vorsichtig, mit einer starken Taschenlampe nach vorne leuchtend, aus der Prince Rupert Bay herausfahren.
Durch den Windschatten der hohen Insel motoren wir die ersten vier Stunden, dann geht es am Wind mit gerefften Segeln durch den Dominica Channel auf Martinique zu. Am späten Nachmittag haben wir unser Ziel erreicht. Der Hafenmeister kommt kommt zu uns gefahren und zeigt uns unsere vorreservierte Boje mit hübschem Blick auf das Städtchen Saint-Pierre. Da wir bereits elektronisch einklariert haben, springen wir gleich nach der langen Etappe vergnügt in das wunderbar klare Wasser der Bucht.

Nach einer ruhigen Nacht starten wir ausgeruht in den Tag. Die Strecke von knapp vierzig Seemeilen ist eigentlich gut an einem Tag zu schaffen. Doch auf dem Weg zum Rocher du Diamant, einem riesigen Felsklotz im Südwesten von Martinique, müssen wir gegen Wind und Strom ankreuzen und kommen kaum voran.

Da die Servicezeiten im Hafen von Le Marin nur bis fünf Uhr abends angegeben sind, machen wir schließlich genervt den Motor an, um noch rechtzeitig anzukommen. Schließlich schaffen wir es gerade rechtzeitig, bekommen in der Marina einen Liegeplatz zugewiesen sowie Wasser und Strom freigeschaltet.
Es ist das erste Mal in diesem Jahr, dass wir in einem Hafen anlegen. Wir haben die Autarkie, die uns unsere Solarstromversorgung und unser großer Wassertank ermöglichen, inzwischen sehr zu schätzen gelernt. Doch für den Empfang unserer Gäste an Bord ist die Marina am besten geeignet, und für die Pflege der Bleiakkus ist eine dauerhafte Stromversorgung per Kabel für ein paar Tage ganz gut.
Die nächsten zwei Tage sind wir beschäftigt mit Wäsche waschen, Boot putzen und anderen Vorbereitungen für unsere Besucher, auf die wir uns schon sehr freuen und mit denen zusammen wir Martinique ausführlicher erkunden wollen.
