Am 15. Juni legen wir nachmittags aus Plymouth ab. Es ist weiterhin sommerlich warm und schwach windig. Daher nehmen wir uns keine langen Tagesetappen vor, sondern wollen einfach nach und nach weiter entlang der Küste Cornwalls nach Westen tingeln, bis sich ein Wetterfenster für die Strecke zu den Isles of Scilly ergibt.
Wir fahren mit Motor bis nach Looe, weil der Wind den ganzen Nachmittag leider zu schwach zum Segeln ist. In der Bucht vor Looe, zusätzlich geschützt durch Looe Island im Westen, lassen wir unseren Anker fallen. Wir genießen den ruhigen Sommerabend. Karin wirft erstmals ihre noch in Dieppe gekaufte Angel aus, aber es beißt nichts an.
Auch am nächsten Tag ist der Wind zu schwach, um zu segeln, und wir sind wieder mit Motor unterwegs. Wir wollen eigentlich nur in die Lantic Bay, um dort zu ankern. Doch dort ist uns zuviel Schwell, und so fahren wir nach Fowey weiter. Dort legt gerade, als wir ankommen, ein großes Kreuzfahrtschiff ab, das in der idyllischen Flußmündung völlig deplaziert aussieht.
Wir halten gebührend Abstand und warten geduldig, bis die Hafenmitarbeiter das Ablegemanöver bis zum Ende begleitet haben, bevor wir uns nach den Anlegemöglichkeiten erkundigen. Schließlich machen wir an einem Besucherpontoon fest.
Durch die entspannten Sommertage an Bord in der wunderbaren Landschaft Cornwalls haben wir nun das Gefühl, endlich im Cruising-Modus zu sein statt getrieben von Tourenplänen und im Bordleben richtig anzukommen. Wir hatten eigentlich gar nicht vor, so viel Zeit an der Küste von Cornwall zu verbringen. Doch diese ungeplante Entschleunigung tut uns gut. Wir empfinden diese Tage als einen unerwarteten Urlaub.
Am nächsten Tag setzen wir mit dem Dinghy nach Fowey über und machen einen Rundgang durch das hübsche, allerdings ziemlich touristisch geprägte Örtchen und weiter auf dem Uferweg entlang bis zur Ruine von St. Cathrine’s Castle. Der Weg, die Gärten und die Küstenlandschaft sind von einer herben Lieblichkeit, die uns sehr an die Channel Islands erinnert, die wir vor einigen Jahren mit einem Charterboot erkundet haben.
Nachmittags legen wir aus Fowey ab und können tatsächlich den größten Teil der Strecke unter Segeln zurück legen, auch wenn wir dabei eher gemächlich vorankommen. Es ist kurz vor Sonnenuntergang, als wir den Anker auf der Falmouth Bay auslegen.
Als wir am nächsten Morgen nach dem Aufstehen nach draußen schauen, bekommen wir eine ganz besondere Vorstellung geboten: In der Ausfahrt aus dem Hafen von Falmouth wimmelt es von klassischen Segelbooten.
Eine kurze Recherche im Internet ergibt, dass gerade die Falmouth Classics stattfinden, ein bedeutendes Treffen klassischer Segelboote, und soeben die große Parade of Classic Boats an unserem Ankerplatz vorbei gezogen ist. Außerdem findet zeitgleich das Falmouth Sea Shanty Festival statt. Damit wird uns auch klar, warum wir am Vorabend so deutlichen Shantygesang aus Richtung eines mit Flaggenparade geschmückten Kriegsschiffs im Hafen von Falmouth gehört haben.
Mit dem Dinghy machen wir erst einen Ausflug nach St. Mawes, das gegenüber von Falmouth liegt und vom Reiseführer als ganz besonders sehenswert angepriesen wurde. Und ja, es ist schön dort, kommt uns aber auch touristisch und langweilig vor, so dass wir nach einem Rundgang bald nach Falmouth übersetzen.
Dort herrscht quirliger Festivaltrubel am Hafen und in der Innenstadt.
Wir hören uns ein paar Chantychöre an, darunter die Fisherman’s Friends, essen Fish ’n Chips und lassen uns von der Festivalstimmung in der bunten Menge von Festivalbesuchern treiben.
Abends nutzen wir die Sanitäranlagen im Hafen von Falmouth noch zum Duschen und trinken vergnügt ein Bier im Pub in der Nähe. Das gemächliche Cruising in Cornwall hat uns gut getan, und wir freuen uns auch auf die Isles of Scilly, zu denen wir am nächsten Tag segeln wollen.
Es ist ein lange Tagesetappe geplant, und daher legen wir früh ab. Der Wind kommt aus Süden, was für uns auf dem Weg zu den Isles of Scilly einen Amwind- oder Halbwindkurs bedeutet. Es ist ein angenehmes Segeln bei zwei bis drei Windstärken und einem Wechsel aus Wolken und Sonne. Als wir die Spitze von Cornwall gerade querab passiert haben, bekommen wir wieder Besuch von Delphinen. Und wieder begleiten sie uns eine ganze Weile und tummeln sich an unserem Bug. Wir hören auch ihre Laute, hohes Fiepsen und helles Schnarren, und sind verzückt.
Als wir im Laufe des Tages immer weiter in Richtung der abgelegenen Inselgruppe im Atlantik kommen, wird das Meer immer klarer und nimmt eine tiefblaue Farbe an. Das haben wir so vorher noch nie gesehen. Es scheint, dass wir heute die Schwelle zum Blauwassersegeln überschritten haben.
Am späten Nachmittag lässt der Wind so sehr nach, dass wir den Motor starten, um noch bei Tageslicht anzukommen. Um neun Uhr abends lassen wir den Anker vor dem Örtchen Hugh Town auf St. Mary’s, der größten Insel des Archipels fallen. Wir sind stolz und glücklich, es hierher geschafft zu haben!