Winteraktivitäten

Schon in der Vorweihnachtszeit an Bord gibt es neben den im letzten Beitrag beschriebenen gemütlichen Seiten auch einige technische Aktivitäten. Im November sind wir mit dem Boot in Middelharnis, um den Mast abzunehmen. Dann geht es Ende November an einem klaren, kalten Tag nach Dordrecht ins Trockendock, wo das Unterwasserschiff im Februar neu beschichtet worden ist und nun kleine Roststellen nachgebessert werden sollen.

Wir haben uns im letzten Jahr einige Male über die unverbindlichen Aussagen des Firmeninhabers zu diesen Nacharbeiten geärgert und sind nun auf Diskussionen über Zusatzkosten eingestellt. Zur fachlichen
Begleitung der Arbeiten haben wir auch einen Gutachter hinzu gezogen. Aber unsere Bedenken stellen sich als unbegründet heraus, denn Inhaber und Mitarbeiter des Trockendocks sind sehr entgegenkommend. Alle
schadhaften Stellen an der Beschichtung des Unterwasserschiffs werden ausgebessert, der Tunnel des Bugstrahlruders wird sandgestrahlt und neu beschichtet, und auf unseren Wunsch werden auch die Standrohre der Borddurchlässe innen geschliffen und neu gestrichen, obwohl sie im ursprünglichen Auftrag gar nicht enthalten waren. Dass die Messungen des Gutachters eine ausreichende Dicke der im Februar aufgetragenen Rumpfbeschichtung ergibt und seit der Entdeckung der Roststellen im September (siehe Beitrag Goldener Herbst in Brest) keine neuen hinzugekommen sind, gibt uns das gute Gefühl, das Problem mit den Nacharbeiten auch tatsächlich behoben zu haben.

Zwei unangenehme Überraschungen gibt es dann aber doch: Zum einen lassen sich die Reste der großen Opferanoden, die den Rumpf vor Korrosion schützen und erneuert werden müssen, nicht abmontieren. Sie sitzen bombenfest in ihrer Vertiefung, und bewegen sich auch unter Einsatz aller zur Verfügung stehender Werkzeuge keinen Millimeter. Da wir so nicht auf Langfahrt gehen wollen, wird vor unserem Aufbruch noch ein Werfttermin erforderlich.

Die andere unangenehme Überraschung ist, dass einer der beiden Propeller des Bugstrahlruders fehlt. Wir hatten ihn in Brest abgenommen und danach offenbar nicht wieder richtig befestigt. Das ist sehr ärgerlich, denn schon bald zeigt sich, dass es schwierig sein wird, genau diesen Propeller als Ersatz zu bekommen. Da in Dordrecht ein Hersteller für Schiffspropeller ist, fahren wir bei eisigem Wetter mit dem Fahrrad dorthin und versuchen unser Glück. Doch nein, so kleine Propeller stellen sie nicht her, erklärt man uns dort, das sei erst ab einem Durchmesser von etwa einem halben Meter für sie wirtschaftlich. Doch immerhin bekommen wir eine interessante Führung durch die Werkstatt und wertvolle Informationen zur Salzwasserbeständigkeit verschiedener Bronzelegierungen. Und mal wieder sind wir freudig überrascht von der Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit der Niederländer.

Am Freitag, den 1. Dezember, geht das Boot zurück ins Wasser. Und da wir schon mal da sind und am Anleger des Trockendocks noch bleiben dürfen, verbringen wir noch einen Tag in der geschichtsträchtigen Stadt Dordrecht und besuchen den nahe gelegenen Nationalpark De Biesbosch.

Mitte Dezember wird der Mast wieder gestellt. Wir haben die Gelegenheit genutzt und noch ein paar Maststufen anbringen lassen, die das Setzen und Bergen des Großsegels für uns nun deutlich leichter und sicherer machen. Für uns ist es nun schon das zweite Mal, dass wir auf unserem Boot den Mast stellen lassen, und alles klappt zügig und reibungslos.

Da wir kurz vor Weihnachten das Boot für einige Wochen verlassen, wintern wir es frostsicher ein. Das ist eigentlich nicht schwierig, beschäftigt uns aber doch einen vollen Tag lang, bis wir einigermaßen sicher sind, alle wasserführenden Leitungen und Motorteile entleert oder mit Frostschutzmittel befüllt zu haben. 

Auch während unseres Winteraufenthalt an Land gibt es einige Aktivitäten für unser Bootsleben. Im Hinblick auf die geplante Atlantiküberquerung gegen Jahresende erstellt Karin für das Boot und seine technischen Komponenten eine FMEA (Failure Mode and Effect Analysis). Das ist eine systematische Risikoanalyse, mit deren Hilfe wir die wichtigsten Präventionsmaßnahmen und Ersatzteile für unser Boot ermitteln. 

Karin macht in Hamburg ein Seminar gegen Seekrankheit, und direkt danach verbringen wir zwei Tage auf der Messe boot in Düsseldorf auf der Suche nach Infos, Ausrüstungsteilen und einem neuen Propeller fürs Bugstrahlruder. Außerdem haben wir uns für zwei Schulungen in Bremen angemeldet: Ein Seminar zum Thema Medizin auf See und ein Sicherheitstraining, bei dem es zwei Tage lang um das richtige Verhalten in Seenotfällen geht, inklusive praktischer Übungen im Schwimmbad.

Unser Aufenthalt in Deutschland wird dann durch traurige Ereignisse im Familienkreis zwei Wochen länger als geplant. Nun ist es tröstlich, dass wir die Zeit haben, um vor Ort sein und unterstützen zu können. Ende Februar geht es endlich zurück an Bord. Wir bringen eine Menge neue Ausrüstung mit, die nun eingeräumt oder installiert werden soll: Eine umfangreiche Bordapotheke, eine neue Steuerung für den Autopilot, neue
Deckenlampen, einen zusätzlichen Dieselfilter, einen Wasservorfilter und viele Ersatz- und Kleinteile. 

Da ist es gut, dass wir ein paar Tage Besuch von Freunden bekommen, die uns von unserer ToDo-Liste ablenken. Wir verbringen eine schöne Zeit erstmals zu viert an Bord – wenn auch nur im Hafen – und machen unter anderem den längst überfälligen Ausflug nach Rotterdam.

Im März bekommen wir dann endlich einen Werfttermin in Hellevoetsluis für den Tausch der Rumpfanoden. Freitag abends werden wir mit dem Travellift aus dem Wasser gehoben. So können wir uns übers Wochenende schon um ein blockiertes Seeventil kümmern und bei der Gelegenheit einen Teil der Kielunterseite neu streichen. Für das Bugstrahlruder haben wir inzwischen einen Kunstoffpropeller gefunden, der auf unser Bugstrahlruder angepasst werden kann. Auch hier in der Werft treffen wir auf große Hilfsbereitschaft und Unterstützung, und so werden die für den Propeller erforderlichen Änderungen problemlos in der dortigen Werkstatt vorgenommen. 

Am Montag ist es dann auch für die Profis eine langwierige Arbeit, die alten Anoden vom Rumpf zu entfernen. Das größere Problem ist allerdings, dass unsere als Ersatz besorgten Anoden zu groß sind und nicht in die Aussparung passen. Doch glücklicherweise kann die Werft organisieren, dass passende Anoden im etwa 60 km entfernten Hardinxveld-Giessendam kurzfristig für uns gefertigt werden, die Karin mit einem werfteigenen Auto abholt. Und so kann mit vereinten Kräften auch der Anodentausch zügig abgeschlossen werden, so dass wir nachmittags mit neuen Anoden, einem neuen Paar Propeller im Bugstrahlruder und funktionierendem Seeventil zufrieden in den Hafen zurückkehren.

Nun ist der 26. März und genau ein Jahr vergangen, seit wir unsere erste Nacht an Bord verbracht haben. Nur ein Jahr, doch es erscheint uns so lange her, so viel haben wir in unserer ersten Segelsaison erlebt und
gesehen, so viele Erfahrungen haben wir seitdem gesammelt. Und auch der erste Winter ist schon bald vorbei und war voller Ereignisse. Langweilig war uns bisher noch nie, und noch immer gibt es einige offene Aufgaben, die wir uns eigentlich für den Winter vorgenommen hatten. Aber wir haben uns damit abgefunden, dass es davon immer welche geben wird, fühlen uns gut vorbereitet für eine weite Reise und freuen uns darauf, wieder los zu segeln.