Nach einem Segelurlaub mit Freunden auf einem Charterschiff in Griechenland kommen wir am Abend des 14. Mai wieder auf unserer St‘ Raphaël an. An Bord ist nach unserer Abwesenheit alles in Ordnung. Wir bleiben noch einen Tag in Cherbourg, um das Boot wieder für die Weiterfahrt vorzubereiten, einzukaufen und Wäsche zu waschen. Cherbourg hat uns mit sonnigem Wetter begrüßt und verabschiedet uns mit einem spektakulären Sonnenuntergang.
Am nächsten Morgen brechen wir früh nach Alderney auf. Die wegen ihrer starken Tidenströmung, dem Alderney Race, berüchtigte Passage zwischen dem französischen Festland und Alderney verläuft für uns ganz ruhig, denn zum einen ist Nippzeit, also eine Mondphase mit geringerem Tidenhub und damit auch schwächeren Tidenströmungen, zum anderen ist so wenig Wind, dass wir leider den größten Teil der Strecke unter Motor zurücklegen. Zumindest die letzten zwei Stunden können wir segeln und genießen das sehr.
Wir werfen vor Braye Harbour den Anker. Doch die Ankerkette läuft nicht sauber aus. Als wir uns die Ankerwinsch genauer ansehen, wird uns klar, dass die Kupplung zwischen der Antriebsachse und der Kettennuß durchrutscht. So ein Mist: Es ist erst Mittag, herrliches sonniges Wetter, und wir haben uns auf einen Ausflug nach Alderney gefreut. Statt dessen steht jetzt erst mal wieder die Lösung eines technischen Problems an.
Wir schauen uns die Winsch genauer an, holen die Ersatz-Ankerwisch aus der tiefsten Tiefe des vorderen Staufachs hervor, und versuchen den Funktionsmechanismus zu verstehen. Der Vorbesitzer, der uns auch die Ersatzankerwinsch verkauft hat, kann uns telefonisch zumindest ein Stück weiterhelfen. Es habe sich vermutlich nur die Scheibe oberhalb der Kupplung gelockert, das könnten wir einfach wieder festschrauben. Doch so ganz einfach ist es dann doch nicht, denn uns wird nicht klar, wie wir die besagte Scheibe so fixieren, dass sie sich durch die Drehbewegung nicht wieder von alleine lockert. Zumindest können wir keinen Schaden an der Ankerwinsch feststellen, und als wir die Kupplung wieder einigermaßen fest haben, beschließen wir, zuerst einmal die Insel zu besichtigen und beim Aufholen des Ankers am nächsten Morgen zu schauen, wie das klappt.
Der Hafenmeister ist inzwischen mit dem Boot zu uns gekommen, hat die Liegegebühr kassiert und uns die Einreiseformalitäten erklärt: Am Hafen gibt es einen Kasten mit Einklarierungsformularen, die man ausfüllt und dann in den daneben stehenden Briefkasten wirft. So entspannt wie der Hafenmeister ist dann die ganze Stimmung auf Alderney. Wir setzen mit dem Dinghy in den Hafen über, klarieren ein und machen uns zu Fuß auf den Weg.
Die Insel ist nur knapp zweieinhalb Kilometer breit, und so sind wir auf unserem Rundgang schnell im Hauptort St. Anne und an der gegenüber liegende Küste. Dort besuchen wir den Wildlife-Bunker, einen der vielen Bunker aus dem zweiten Weltkrieg, in dem jetzt über die einheimische Vogelwelt informiert wird. Vieles ist auf Englisch und Französisch beschildert, aber abgesehen davon ist Alderney very british, nur eben auch mit dieser entspannten Gelassenheit, wie sie für kleine Inseln typisch ist.
Zurück am Hafen gönnen wir uns Fish & Chips, dann geht es mit dem Dinghy zum Boot zurück. Auf dem Weg dorthin sehen wir ein deutsches Segelboot, das uns schon in Cherbourg als Decksalonyacht aufgefallen ist und das Karin dort mit einem kurzen Plausch verabschiedet hat. Auch dort an Bord hat man uns wieder erkannt und winkt uns heran, und wir verabreden uns auf einen Besuch. Die zwei Herren – einer gerade im Ruhestand, einer mit 6-monatiger Auszeit – sind lustige Gastgeber. Obwohl wir am nächsten Morgen früh wieder starten wollen, bleiben wir lang, trinken den einen oder anderen Manöverschluck, teilen unsere Erfahrungen über Baustellen nach dem Gebrauchtbootkauf, berichten von Schottland und haben viel Spaß.
Bei Aufholen des Ankers am frühen Morgen rutscht die Kette in der Ankerwinsch zwar wieder durch, doch mit dem Anziehen einer Schraube lässt sich das Problem provisorisch beheben und der Anker aufholen. Danach segeln wir zunächst im Westen von Alderney nach Süden, doch dann wird der Wind wieder zu schwach, so dass wir die Tagesetappe bis Sark unter Motor zurücklegen. Dort steuern wir die malerische, von Felsen umgebene Bucht Havre Gosselin an und machen an einer Boje fest. Dies ist der erste Ort, den wir mit eigenem Boot besuchen und an dem wir vorher schon einmal mit einem Charterboot waren: Vor fünf Jahren sind wir von St. Malo aus zu den Kanalinseln gesegelt. Es war ein seglerisch anspruchsvoller Urlaubstörn und das erste Mal, dass wir zu zweit so weit auf dem Meer waren, dass man um sich herum nur noch Wasser sah – auch so ein Meilenstein, der unseren Erfahrungshorizont wieder ein Stück weiter verschoben haben. Wir denken gerne daran zurück.
Wie vor fünf Jahren hat nach dem trüben Vormittag das Wetter aufgeklart und Sark zeigt sich von seiner besten Seite. Und wieder sind wir ganz verzaubert von der kleinen Insel. Sie vermittelt eine wunderbar friedliche Stimmung, und wir können uns schon auf dem Anstieg von der Anlandestelle zum hoch auf den Klippen gelegenen Pilcher-Denkmal (Nein, es ist nich Rosamunde Pilcher gewidmet, auch wenn das in dieser Szenerie absolut passend wäre) gar nicht satt sehen am herlichen Ausblick. Wir laufen zu La Coupé, der schmalen Verbindungsstelle mit Little Sark, trinken bei Caragh Chocolate einen Kaffee und schlendern dann eine Runde durch den verträumten Hauptort.
Es hat sich offenbar nicht viel verändert seit unserem letzten Besuch, und das ist schön zu sehen. Zurück auf dem Boot genießen wir bei einem Glas Wein die Abendstimmung an diesem sehr besonderen Ort.
Am nächsten Morgen geht es weiter nach Jersey. Wieder ist das Wetter schwach windig und wir motoren die komplette Strecke. Wir nutzen die Zeit für einen Bootsputz: Karin bürstet mit Meerwasser alle Teakoberflächen an Deck ab, während Marc das Holz unter Deck reinigt und pflegt. So vergeht die Fahrt nach Jersey wie im Flug, und wir sind gerade noch nicht fertig, als wir im Hafen von St. Herlier ankommen. Hier tanken wir erstmal Diesel, denn der ist auf Jersey steuerfrei und daher sehr günstig. Das lohnt sich, denn seit dem Winter haben wir nicht mehr getankt und viel motort.
Gegenüber dem verträumten Sark wirkt St. Helier auf Jersey wie eine Großstadt. Wir machen einen Stadtrundgang, trinken ein Bier in einem typischen Pub mit bunt gemischtem Publikum und können es nicht lassen, uns nochmal Fish & Chips (diesmal allerdings ohne Chips, dafür mit mushy peas) zu gönnen. So schnell kommen wir schließlich nicht mehr an einen Ort mit so herrlich britischem Flair.
Auch am nächsten Tag ist Flaute. Wir hätten uns in diesen windarmen Tagen noch länger auf den Kanalinseln aufhalten und auf geeigneten Segelwind warten können, doch wir haben eine Verabredung in St. Malo: Dort kommt in zwei Tagen eine gute Freundin von uns mit ihrem zehnjährigen Sohn, der vom Segelvirus infiziert ist, an Bord. Wir freuen uns auf diesen lieben Besuch und nehmen dafür das lästige Motoren in Kauf. Die ganze Strecke nach St. Malo weht kaum Wind, und die See ist so glatt, dass wir die Felsen des flachen Plateau des Minquiers deutlich aus dem Meer aufragen sehen. Am späten Nachmittag haben wir auch unsere Putzarbeiten an und unter Deck abgeschlossen und erreichen die Marina St. Malo. So bleibt uns noch Zeit, um im Hafen die Kettennuss der Ankerwinsch zu fixieren, einzukaufen und das Boot für unsere Gäste vorzubereiten. Wir freuen uns darauf, mit ihren die Nordbretagne zu erkunden.